Ankommen in Deutschland
Ihre Zukunft beginnt jetzt
„Wir schaffen das“, dieser Satz im Herbst 2015 wird wohl in die Geschichte Deutschlands eingehen. Er löste Ängste aus, aber auch: Die Motivation und den Willen den Geflüchteten in Deutschland ein neues Zuhause zu geben.
Wie es gelingen kann, die Neuankömmlinge in Deutschland zu integrieren, ist seitdem eines der wichtigsten Themen auf der politischen Agenda. Bildung ist in diesem Zusammenhang ein entscheidender Faktor: So unterstützt der DAAD, finanziert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), die Hochschulen von 2016 bis heute mit insgesamt 100 Millionen Euro bei dieser Aufgabe. Mit dem Programm „Welcome“ werden engagierte Studierende unterstützt, die Geflüchteten helfen, an den Hochschulen anzukommen. Sie organisieren Sprachcafés, „Buddy-Programme“ und viele andere Projekte, um das Miteinander und das gegenseitige Kennenlernen zu fördern. Das Programm „Integra" bereitet die Flüchtlinge auf ein Studium in Deutschland vor. Besonders wichtig und gleichzeitig auch die größte Hürde ist hierbei das Erlernen der deutschen Sprache. Rund 25 000 Flüchtlinge wurden zwischen 2016 und 2018 in einem der Programme des DAAD nicht nur sprachlich, sondern auch fachlich auf ein Studium in Deutschland vorbereitet.
Denn: Wir glauben an das Potenzial, das diese Menschen mitbringen. Viele sind nach manchmal jahrelanger Unterbrechung ihrer Bildungsbiographie, dem „Ausgebremstsein“ durch Krieg und Flucht, sehr motiviert. Wir wollten wissen, was die Flüchtlinge an den Hochschulen bewegt, was für Herausforderungen sie im Studium sehen und was für Träume sie bewegen – aber auch, wie sie es geschafft haben, ihren Weg zu gehen.
Ihre Geschichten
Es sind berührende Dokumente, jedes einzelne mit einer, auch oft traurigen Geschichte im Hintergrund. So gut wie alle Studierende sind vor Krieg oder Verfolgung geflohen, haben Freunde und Familie im Krieg zurückgelassen und viele verbinden mit dem Studium eine große Hoffnung: eine Perspektive für die Zukunft. In einer kleinen Collage zeigen wir einige der kreativen Beiträge und werden auf den folgenden Seiten drei Studierende persönlich vorstellen.
Drei Geflüchtete haben wir einige Tage begleiten dürfen.
Drei Geflüchtete haben wir einige Tage begleiten dürfen.
Sie alle kommen aus Syrien: 80 Prozent der Geflüchteten, die an unseren Kursen teilnehmen, stammen aus dieser Region. Vor dem Krieg hatte Syrien ein sehr gutes Bildungssystem, rund 20 Prozent der Schüler eines Jahrganges besuchten nach dem Abschluss eine Universität. Viele der Kursteilnehmer mussten ihr Studium durch die Flucht abbrechen.
In Hannover haben wir Mohamad Dakelbab, 20, kennengelernt. Er besucht das Studienkolleg Hannover, um im Herbst sein Studium der Medizintechnik beginnen zu können.
Danach trafen wir Wafa Mustafa, 28, in Berlin. Ihr Vater verschwand in Syrien und sie versucht nun wieder Boden unter die Füße zu bekommen.
Auch das ist Teil der Realität der Flüchtlinge, die ihr Leben und Studieren in Deutschland prägt: Die Trauer um Verwandte, die verschwunden oder umgekommen sind. Rund ein Drittel der Flüchtlinge suchen in den Beratungsstellen der Hochschulen Hilfe bei psychischen und familiären Problemen. Dies zeigt auch das Vertrauen, welches die Studenten in die Anlaufstellen und die dortigen Beraterinnen und Berater haben. Er zeigt aber auch, wie wichtig die Arbeit der Hochschulen ist. Wafa Mustafa besucht das Bard College Berlin. Hier unterstützen wir die Hochschule und das Projekt „Campus Conversation“, bei dem Flüchtlinge die Möglichkeit haben, zusammen mit Deutschen die Sprache zu lernen.
Im letzten Kapitel begleiteten wir Samar Samara, 27. Wenn man sich „einen Geflüchteten“ malen könnte, um alle Kritiker der deutschen Flüchtlingspolitik eines Besseren zu belehren, sollte man sie kennenlernen. Samar beginnt im Frühling ein Praktikum am Fraunhofer Institut in Berlin, das Praktikum ist Teil ihres Studiums der Automatisierungstechnik. Wie geht es weiter nach dem Studium? Das sind Fragen, die sie aktuell beschäftigen: „Ich möchte mir hier etwas aufbauen“, sagt sie.
Der Beginn
Mohamad Dakelbab DER BEGINN „Ich habe mich in die deutsche Sprache verliebt“
Mohamad Dakelbab DER BEGINN „Ich habe mich in die deutsche Sprache verliebt“
Einmal, als er noch nicht sehr lange in Deutschland war, saß Mohamad Dakelbab zusammen mit Freunden in einem japanischen Restaurant in Berlin-Kreuzberg. Sie waren zu viert unterwegs, zwei Russinnen und ein Chinese und sie wollten kurz eine Kleinigkeit essen. Die Vier kannten sich aus einem Deutschkurs in Kassel und waren für ein paar Tage nach Berlin gefahren. Sie hatten sich die Überreste der Mauer angeschaut, die Graffiti im RAW-Tempel im Osten der Stadt und auch durch das Brandenburger Tor waren sie gelaufen.
„Ich nehme gebratenen Reis mit Gemüse und Hühnchen“, Dakelbab war stolz, dass er diesen Satz ohne Fehler und Stocken hinbekam. Wie man auf Deutsch in einem Restaurant bestellt, hatten sie ein paar Wochen vorher im Deutschkurs gelernt. Manchmal fehlten ihm noch Vokabeln oder er vertauschte die Artikel. Aber heute hatte er alles fehlerfrei über die Lippen bekommen. „In english, please, i don´t speak german“, antwortete der Kellner. Dakelbab muss heute grinsen, wenn er von diesem Moment erzählt, der eine gewisse Ironie in sich birgt: Er, Mohamad Dakelbab, Flüchtling aus Syrien, der mit viel Fleiß und Ehrgeiz die deutsche Sprache lernt, soll nun in der deutschen Hauptstadt auf Englisch seinen Reis bestellen?
Er sitzt an diesem Vormittag Ende Januar in einem leeren Klassenraum des Studienkollegs in Hannover als er die Geschichte erzählt, die ihn auch zwei Jahre später noch amüsiert. Deutschland überrascht ihn immer wieder. „Deutsche sind organisiert und haben keine Emotionen,“ war das, was er früher in seiner Jugend in Syrien auf der Straße über sie hörte. Und klar, den deutschen Fußball, die deutsche Nationalmannschaft, die kannte man auch. Er lacht jetzt wieder, bei den Weltmeisterschaften war seine Mutter immer für Deutschland gewesen, er für Argentinien.
Was ist dein Lieblingswort?
Zwischen den Welten
Wafa ZWISCHEN DEN WELTEN „In Berlin werde ich wieder zu der Wafa, die ich mal war.“
Wafa ZWISCHEN DEN WELTEN „In Berlin werde ich wieder zu der Wafa, die ich mal war.“
Vielleicht gibt es zwei Wafas. Da ist die eine Wafa, eine junge Frau, 28 Jahre alt, die sich auf den ersten, aber auch auf den zweiten oder dritten Blick nicht deutlich von den anderen Studierenden unterscheidet. Die ihre dunklen Haare lang trägt und morgens vor Universitätsbeginn ihre Augen mit schwarzen Kajal umrandet. Die am Bard-College, im Norden von Berlin, Humanities, the Arts and Social Thought studiert, die sich im Wohnheim über die Unordnung in der Gemeinschaftsküche beschwert und die davon schwärmt, wie sie im Sommer im Garten der Unterkunft alle zusammen bis tief in die Nacht Wasserpfeife geraucht haben.
Was man ihr nicht ansieht, was man höchstens erahnen kann: 2011 wurde ihr Vater verschleppt, seitdem fehlt jedes Lebenszeichen von ihm. Wafa selbst und ihre Mutter und ihre Schwester flohen in den Tagen nach dem Verschwinden in die Türkei.
Die zweite Wafa ist nicht so gut sichtbar, auch wenn sie später sagen wird, dass sie sich nicht verstecken möchte mit der Schwere, die sie oft in sich fühlt: „Du bist so stark“, hört sie häufig von ihren Kommilitonen. „Aber irgendwie muss ich ja weiter machen“, sagt sie. Hier im Norden von Berlin, in Niederschönhausen, dem ehemaligen Diplomatenviertel der DDR, wirkt Syrien und sein erbarmungsloser Krieg weit weg. Einfamilienhäuser mit kleinen, hübschen Vorgärten reihen sich aneinander. Die Idylle und Ruhe des Viertels mag Wafa sehr, „nett oder?" ruft sie. Es ist zehn vor neun und Wafa geht mit zügigen Schritten durch die verschneiten Straßen. Sie hat sich ihren Schal bis über die Nase gezogen und heute morgen ihren wärmsten Wollmantel übergestreift. Es ist der zweite Tag im Semester und sie möchte auf keinen Fall zu spät kommen: „Die Dozenten nehmen Pünktlichkeit ernst“, sagt sie. Keine zehn Minuten läuft sie von ihrem Wohnheim bis zu dem Gebäude des College.
Was bedeutet Dir Dein Studium in Deutschland?
Die Zukunft
Samar Samara DIE ZUKUNFT „Ich möchte mir hier etwas aufbauen.“
Samar Samara DIE ZUKUNFT „Ich möchte mir hier etwas aufbauen.“
An einem sonnigen Donnerstagmittag Mitte Januar läuft Samar Samara mit schwungvollen Schritten durch die Mensa der Technischen Hochschule in Wildau. Viel Zeit zum Essen hat sie heute nicht. Gleich steht noch eine Laborübung auf ihrem Stundenplan und am Nachmittag wird sie sich wieder an den Schreibtisch in ihrer Wohngemeinschaft setzen. Draußen ist es grau und kalt, aber ab und zu reißt der Himmel auf. Hier in dem kleinen Ort mit seinen knapp 10 000 Einwohnern in Brandenburg studiert Samar Automatisierungstechnik.
Es sind die letzten Wochen vor dem Semesterende und es vergehen kaum Tage, an denen nicht eine Klausur, eine Präsentation oder Abgabe einer Seminararbeit ansteht. Sie seufzt. „Es ist einfach sehr viel.“ Samar ist froh, wenn sie mit allem durch ist. Sie ist eine junge Frau, 27 Jahre alt, die ihre langen, braunen Haare in einen Pferdeschwanz gebunden hat, die Boots trägt und Jeans und die gerne die Farbe Weinrot mag.
Trotz der Eile grüßt sie rechts und links an den Tischen ihre Kommilitonen. „Meine Freunde wundern sich immer, wie viele ich hier kenne“, sie lacht jetzt. Drei Jahre ist es her, dass Samar mit ihrem Freund von Syrien über die Türkei nach Deutschland floh. Manchmal scheint sie es selber kaum zu glauben, was seitdem passiert ist. Wo sie heute steht. Dass sie so erfolgreich Automatisierungstechnik studiert – einen Studiengang, an den sich nur wenige Frauen herantrauen. Dass ihr letztes Semester ein Professor ihrer Fakultät eine Hiwi Stelle angeboten hat – ihr Deutsch ist so gut, dass ihr kaum noch Fehler unterlaufen und sie im März ein Praktikum am renommierten Fraunhofer Institut in Berlin beginnt. „Deutschland ist meine Zukunft,“ sagt sie. Sie weiß, dass es nicht allen Flüchtlingen so leicht fällt, in dem fremden Land und an der Hochschule anzukommen.
Sie reiht sich in die Schlange der Studierenden ein und schiebt ihr Tablett über die Ablage an den Essensausgaben vorbei. Rechts, zu Beginn, können sie sich Cola, Wasser oder Apfelschorle in Becher füllen, danach schaufeln die Köche ihnen aus riesigen Behältern das Essen auf die Teller. Samar balanciert ihr Tablett mit dem Kartoffelauflauf und einem kleinen Schälchen mit Vanille-Schokopudding durch die Reihen. „Habt ihr noch einen Platz frei“, ruft sie einem Tisch in einer Ecke zu. Sie lässt sich zwischen zwei Jungs auf einen Stuhl fallen. Mit Samar am Tisch sitzen noch acht andere Kommilitonen – alles Männer. Sie tragen Cappies, Kapuzenpullover und Mützen. Vor ihnen auf dem Teller liegen panierte Schnitzel, Berge an Pommes und weich gekochter Rosenkohl. Samar ist seit ein paar Wochen Vegetarierin. Seit sie in den Weihnachtsferien eine Dokumentation über Massentierhaltung gesehen hat, isst sie kein Fleisch mehr. „Das kann man wirklich nicht machen“, sagt sie und wirft einen strengen Blick auf den Teller ihres Sitznachbars.
Was ist Heimat für Dich?
Impressum
Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD)
Referat Hochschulprogramme für Flüchtlinge
Projektteam:
Katharina Fourier (verantwortlich)
Linn Hildebrandt (Projektkoordination)
Text und Konzeption:
Linda Tutmann, freie Journalistin und Autorin, Berlin
Fotograf:
Dominik Butzmann, Berlin
Grafische Gestaltung:
Felix Nowack, Creative Direction, Berlin
"Netzwerke sind entscheidend"
"Netzwerke sind entscheidend"
Sie haben bei der Studie „Vom Hörsaal in den Betrieb? Internationale Studierende beim Berufseinstieg in Deutschland“, die im Dezember 2017 veröffentlicht wurde, mitgearbeitet. Was unterscheiden die Lebensläufe von Studierenden, die nach Deutschland geflohen sind von denen der anderen Studierenden?
Die Bildungsbiographien sind oft durch den Krieg und die, teilweise jahrelange Flucht, unterbrochen. Manche saßen sehr lange nicht mehr in einem Klassen- oder Seminarraum. Gleichzeitig leiden sie unter den emotionalen und psychischen Folgen der Flucht, die Sorge um die zurück gebliebenen Verwandten, das Heimweh oder traumatische Erfahrungen, die sie beschäftigen. All das prägt natürlich auch ihr Herangehen an ein Studium. Dazu kommen ganz praktische und teilweise existenzielle Probleme: Können sie sich ein Studium leisten? Haben sie alle notwendigen Dokumente beisammen? Aber hier hat die Kultusministerkonferenz 2015 eine Lockerung bei dem sogenannten „Feststellungsverfahren“ erleichtert. Abschlüsse sollen schneller und unbürokratischer anerkannt werden. Das gleiche gilt auch für die finanzielle Unterstützung. Trotz allem ist der Start für viele Flüchtlinge an den Universitäten nicht leicht.
Wie können diese Studierenden unterstützt werden?
Besonders wichtig sind soziale Netzwerke und persönliche Kontakte, das hat unsere Studie gezeigt. Einsamkeit ist ein großes Thema, welches dazu führt, dass die Studierenden sich nicht wohl fühlen. Wer sich ständig darüber nachdenkt, ob er nicht doch zurück gehen soll in die Heimat, kann sich nicht auf sein Studium konzentrieren. Wichtig ist es deshalb, dass die deutschen Hochschulen diese soziale Interaktion fördern, durch zum Beispiel Welcome-Programme. Gerade diese soziale Unterstützung gibt ihnen das Gefühl, Willkommen zu sein. Gleichzeitig können diese Kontakte auch sehr wertvoll sein, wenn es darum geht, an der Hochschule zurecht zu kommen. Viele wissen ja nicht, wie ein Studium in Deutschland funktioniert. Da jemanden zu haben, den man immer mal kurz anrufen kann, ist ein entscheidender Punkt bei der Frage, ob ein Studium gelingt und erfolgreich zu Ende geführt wird.
30 Prozent dieser Studierenden aus dem Ausland sucht nach einem Jahr immer noch einen Job, hat Ihre Studie ergeben. Welche Schwierigkeiten gibt es hier?
Auch hier sind oft die Netzwerke entscheidend: Einen Berater an seiner Seite zu haben, der einen bei der Karriereplanung unterstützt ist enorm wichtig. Jemand, der am Besten schon während des Studiums anregt, ein Kontakte zu zum Beispiel deutschen Unternehmen zu knüpfen, durch zum Beispiel ein Praktikum oder einen Nebenjob. Wenn so ein Freund oder Mentor fehlt, ist es schwierig. Auf der anderen Seite können Freunde und Familie im Heimatland auch das Einleben und die Aufnahme eines Jobs behindern: Wenn die Familie Zuhause akzeptiert, dass der Sohn oder die Tochter in Deutschland bleibt und arbeitet, ist das für die ganzen Prozess der Jobfindung sehr förderlich. Der Wille und Wunsch ist bei vielen ja da: 70 Prozent dieser Gruppe wollen gerne bleiben und auch auf der Seite der deutschen Wirtschaft besteht ein großes Interesse daran, dass diese gut ausgebildeten Fachkräfte dem deutschen Arbeitsmarkt erhalten bleiben.
Beziehungen sind also das wichtigste?
Ja! Wer sich in Deutschland verliebt, wer gute Freunde findet, einen guten Draht zu einem Professor hat, bei dem ist die Chance, dass er bleibt und sich motiviert einen Job sucht sehr groß.
Abdullatifschickte uns eine Karte, die er im Welcome Kurs geschrieben hatte
Moahamad
Mohamad Dakelbabschickte uns eine Liebeserklärung an die deutsche Sprache
Sprichwort
Muschirf Shekh Zeynschrieb uns sein Lieblingssprichwort: „Gleich fliegen die Löcher aus dem Käse“
Osman Vatanseversendete uns eine Audio-Nachricht:
Raisan Hameedmailte uns seine Fotos:
Saleh Jumaaberichtete uns, dass die Fragen: „Habt ihr Autos oder TV oder Internet in deinem Heimatland?“ oder „Warum trägst Du so einen langen Bart – das ist nicht so schön?“ typisch Deutsch für ihn sind. Diese Frage verstehe er im übrigen nicht, auch Deutsche haben doch einen Bart, schrieb er uns.
Shahin Shekhobeschreibt in seinem traurigen Gedicht „Weil ich dich liebe muss ich bekennen“, die Situation in seiner Heimat:
Es ist Besetzung/Behauptung/Belagerung/Bestrafung und Beschränkung Verhaftung/Gerede/Geld und Blut/Betrug/Petrol und Tod
Es ist Weinen/Heulen/Flucht und Kugeln
Es sind Gräber/Soldaten/Geschosse/Wunden
Dieses Land ist kein LandScham der Freude als Gast zu traurigen Geburtstagen
Gibt es ein Land, wie dieses Land, in dem die Trauer geboren wird?
Wafa
Was bedeuten Euch Eure Freunde? Abdullatif Mando, 35 Jahre, Management, Universität Siegen
Was bedeuten Euch Eure Freunde? Abdullatif Mando, 35 Jahre, Management, Universität Siegen
Wir waren beide neu in Siegen, ich habe vorher in einem Flüchtlingsheim in Plettenberg gewohnt und er hat in einer anderen Stadt seinen Bachelor gemacht. Ich war schon einige Monate vor ihm in Siegen, deshalb kannte ich mich gut aus. Ich konnte ihm zeigen, wo die günstigen Supermärkte sind und welche Busse wohin fahren. Wir sind ja quasi Nachbarn, er wohnt nur ein paar Straßen weiter. Freitags schauen wir oft Serien zusammen, zum Beispiel „Die Anstalt“. Die ist wirklich super. Tobias erzählt mir auch viel über Deutschland und die deutsche Kultur. Neulich habe ich gelernt, was die fünf-Prozent-Klausel bedeutet. So etwas gibt es in Syrien nicht. Früher wollte ich eigentlich Politikwissenschaften studieren, aber dann ist es doch Wirtschaftswissenschaften geworden. Das Gute ist auch: Da Tobias und ich das gleiche studieren, lernen wir auch für die Prüfungen zusammen. Nächste Woche schreiben wir eine Klausur im Fach Personal-Management.
Ich bin seit Oktober 2015 in Deutschland und komme aus Syrien. Dort hatte ich schon BWL studiert, musste das Studium aber dann wegen meiner Flucht unterbrechen. Mein Deutsch ist mittlerweile gut, aber manchmal fehlen mir noch Fachvokabeln, dann kann ich ihn immer fragen. Oder manchmal haben die Wörter auch mehrere Bedeutungen, die ich nicht alle weiß. Wenn ich längere Texte schreiben muss, liesst Tobias sie auch Korrektur. Gerade wenn man in einem fremden Land lebt, ist es wichtig, Freunde zu haben, die einen unterstützen und die wissen, wie alles läuft, an der Universität natürlich oder auch beim Finanzamt. Was willst Du nach der Universität machen, hat mich Tobias neulich gefragt. Eigentlich möchte ich in Deutschland arbeiten, ich träume davon, mich selbständig zu machen, ein eigenes Business aufzumachen. Tobias und ich haben dann über die Vor- und Nachteile der Selbständigkeit gesprochen. Vermutlich müsste ich aber in eine größere Stadt ziehen, Siegen ist zu klein, das sieht Tobias auch so.
Was bedeuten Euch Eure Freunde? Ali, 26 Jahre, Angewandte Geologie, Universität Bochum
Was bedeuten Euch Eure Freunde? Ali, 26 Jahre, Angewandte Geologie, Universität Bochum
"Netzwerke sind entscheidend."
"Netzwerke sind entscheidend."
Sie haben bei der Studie „Vom Hörsaal in den Betrieb? Internationale Studierende beim Berufseinstieg in Deutschland“, die im Dezember 2017 veröffentlicht wurde, mitgearbeitet. Was unterscheiden die Lebensläufe von Studierenden, die nach Deutschland geflohen sind von denen der anderen Studierenden?
Die Bildungsbiographien sind oft durch den Krieg und die, teilweise jahrelange Flucht, unterbrochen. Manche saßen sehr lange nicht mehr in einem Klassen- oder Seminarraum. Gleichzeitig leiden sie unter den emotionalen und psychischen Folgen der Flucht, die Sorge um die zurück gebliebenen Verwandten, das Heimweh oder traumatische Erfahrungen, die sie beschäftigen. All das prägt natürlich auch ihr Herangehen an ein Studium. Dazu kommen ganz praktische und teilweise existenzielle Probleme: Können sie sich ein Studium leisten? Haben sie alle notwendigen Dokumente beisammen? Aber hier hat die Kultusministerkonferenz 2015 eine Lockerung bei dem sogenannten „Feststellungsverfahren“ erleichtert. Abschlüsse sollen schneller und unbürokratischer anerkannt werden. Das gleiche gilt auch für die finanzielle Unterstützung. Trotz allem ist der Start für viele Flüchtlinge an den Universitäten nicht leicht.
Wie können diese Studierenden unterstützt werden?
Besonders wichtig sind soziale Netzwerke und persönliche Kontakte, das hat unsere Studie gezeigt. Einsamkeit ist ein großes Thema, welches dazu führt, dass die Studierenden sich nicht wohl fühlen. Wer sich ständig darüber nachdenkt, ob er nicht doch zurück gehen soll in die Heimat, kann sich nicht auf sein Studium konzentrieren. Wichtig ist es deshalb, dass die deutschen Hochschulen diese soziale Interaktion fördern, durch zum Beispiel Welcome-Programme. Gerade diese soziale Unterstützung gibt ihnen das Gefühl, Willkommen zu sein. Gleichzeitig können diese Kontakte auch sehr wertvoll sein, wenn es darum geht, an der Hochschule zurecht zu kommen. Viele wissen ja nicht, wie ein Studium in Deutschland funktioniert. Da jemanden zu haben, den man immer mal kurz anrufen kann, ist ein entscheidender Punkt bei der Frage, ob ein Studium gelingt und erfolgreich zu Ende geführt wird.
30 Prozent dieser Studierenden aus dem Ausland sucht nach einem Jahr immer noch einen Job, hat Ihre Studie ergeben. Welche Schwierigkeiten gibt es hier?
Auch hier sind oft die Netzwerke entscheidend: Einen Berater an seiner Seite zu haben, der einen bei der Karriereplanung unterstützt ist enorm wichtig. Jemand, der am Besten schon während des Studiums anregt, ein Kontakte zu zum Beispiel deutschen Unternehmen zu knüpfen, durch zum Beispiel ein Praktikum oder einen Nebenjob. Wenn so ein Freund oder Mentor fehlt, ist es schwierig. Auf der anderen Seite können Freunde und Familie im Heimatland auch das Einleben und die Aufnahme eines Jobs behindern: Wenn die Familie Zuhause akzeptiert, dass der Sohn oder die Tochter in Deutschland bleibt und arbeitet, ist das für die ganzen Prozess der Jobfindung sehr förderlich. Der Wille und Wunsch ist bei vielen ja da: 70 Prozent dieser Gruppe wollen gerne bleiben und auch auf der Seite der deutschen Wirtschaft besteht ein großes Interesse daran, dass diese gut ausgebildeten Fachkräfte dem deutschen Arbeitsmarkt erhalten bleiben.
Beziehungen sind also das wichtigste?
Ja! Wer sich in Deutschland verliebt, wer gute Freunde findet, einen guten Draht zu einem Professor hat, bei dem ist die Chance, dass er bleibt und sich motiviert einen Job sucht sehr groß.
Was bedeuten Euch Eure Freunde? Abdullatif Mando, 35 Jahre, Management, Universität Siegen
Was bedeuten Euch Eure Freunde? Abdullatif Mando, 35 Jahre, Management, Universität Siegen
Wir waren beide neu in Siegen, ich habe vorher in einem Flüchtlingsheim in Plettenberg gewohnt und er hat in einer anderen Stadt seinen Bachelor gemacht. Ich war schon einige Monate vor ihm in Siegen, deshalb kannte ich mich gut aus. Ich konnte ihm zeigen, wo die günstigen Supermärkte sind und welche Busse wohin fahren. Wir sind ja quasi Nachbarn, er wohnt nur ein paar Straßen weiter. Freitags schauen wir oft Serien zusammen, zum Beispiel „Die Anstalt“. Die ist wirklich super. Tobias erzählt mir auch viel über Deutschland und die deutsche Kultur. Neulich habe ich gelernt, was die fünf-Prozent-Klausel bedeutet. So etwas gibt es in Syrien nicht. Früher wollte ich eigentlich Politikwissenschaften studieren, aber dann ist es doch Wirtschaftswissenschaften geworden. Das Gute ist auch: Da Tobias und ich das gleiche studieren, lernen wir auch für die Prüfungen zusammen. Nächste Woche schreiben wir eine Klausur im Fach Personal-Management.
Ich bin seit Oktober 2015 in Deutschland und komme aus Syrien. Dort hatte ich schon BWL studiert, musste das Studium aber dann wegen meiner Flucht unterbrechen. Mein Deutsch ist mittlerweile gut, aber manchmal fehlen mir noch Fachvokabeln, dann kann ich ihn immer fragen. Oder manchmal haben die Wörter auch mehrere Bedeutungen, die ich nicht alle weiß. Wenn ich längere Texte schreiben muss, liesst Tobias sie auch Korrektur. Gerade wenn man in einem fremden Land lebt, ist es wichtig, Freunde zu haben, die einen unterstützen und die wissen, wie alles läuft, an der Universität natürlich oder auch beim Finanzamt. Was willst Du nach der Universität machen, hat mich Tobias neulich gefragt. Eigentlich möchte ich in Deutschland arbeiten, ich träume davon, mich selbständig zu machen, ein eigenes Business aufzumachen. Tobias und ich haben dann über die Vor- und Nachteile der Selbständigkeit gesprochen. Vermutlich müsste ich aber in eine größere Stadt ziehen, Siegen ist zu klein, das sieht Tobias auch so.
Was bedeuten Euch Eure Freunde ? Ali, 26 Jahre, Angewandte Geologie, Universität Bochum
Was bedeuten Euch Eure Freunde ? Ali, 26 Jahre, Angewandte Geologie, Universität Bochum
Neulich war ich bei ihm zum Geburtstag eingeladen, wir waren in einem Restaurant in Gelsenkirchen und ich habe auch ein paar seiner Freunde kennengelernt. Das war schön. Dennis hilft mir immer, wenn ich zum Beispiel Briefe von einer deutschen Behörde bekomme und ich sie nicht alleine übersetzen kann. Eigentlich habe ich nicht viele Schwierigkeiten, aber manchmal ist das Deutsch der Ausländerbehörde etwas kompliziert zu verstehen. Aber Dennis macht das gerne.
Das schöne an unserer Freundschaft ist, dass wir nicht nur zusammen lernen oder studieren können, sondern auch viel zusammen lachen. An ihm mag ich, dass wir über alles reden können, über Politik, das Leben und ja auch über die Liebe. Ich hatte schon eine deutsche Freundin und als ich sie kennengelernte, habe ich Dennis gefragt, was deutsche Frauen gerne mit ihrem Freund unternehmen. Er hat gesagt, dass ich mit ihr einen Kaffee trinken gehen soll oder ins Kino oder auch mal in ein Restaurant. Dennis wünscht sich eine arabische Freundin. Da versuche ich ihn zu beraten. Leider hat es noch nicht geklappt.