Einführung
DWIH-Jahresbericht 2023
Die fünf DWIH-Standorte im Fokus
Blick auf die StandorteDie Arbeit der DWIH weltweit
Im Überblick Das DWIH-Netzwerk 2023
Im Überblick Das DWIH-Netzwerk 2023
Eine der großen Stärken des weltweiten Netzwerks der Deutschen Wissenschafts- und Innovationshäuser ist, dass es einen multiperspektivischen und interdisziplinären Blick auf globale Herausforderungen ermöglicht. Für das DWIH-Schwerpunktthema 2023, „Die resiliente Gesellschaft“, zeigte sich das in besonderem Maße, wie Tabea Kaiser, Leiterin der DWIH-Geschäftsstelle im DAAD, betont. „Es war nicht nur ungemein bereichernd zu sehen, wie viele unterschiedliche Aspekte des doch sehr weit gefassten Resilienzbegriffs die einzelnen Häuser an ihren jeweiligen Standorten berücksichtigen konnten. Auch das Netzwerk als Ganzes hat eine beeindruckende Resilienz gegenüber all den geopolitischen Herausforderungen bewiesen, denen es sich als Organisation derzeit ausgesetzt sieht.“
Netzwerkarbeit unter schwierigen Bedingungen
Gemeint ist zum Beispiel der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, der die weltpolitischen Schlagzeilen 2023 dominierte. „Die Tatsache, dass wir am Standort Moskau nach wie vor mit einem DWIH vertreten sind, auch wenn dessen Handlungsfeld stark eingeschränkt ist, kann durchaus als Ausdruck von Resilienz verstanden werden“, sagt Dr. Ursula Paintner, die für die DWIH zuständige Direktorin der Abteilung Kommunikation im DAAD. Nach wie vor finden regelmäßige Netzwerktreffen unter Leitung des DWIH statt. Zielgruppe sind die deutschen Unterstützerorganisationen, die sich auf diesem Wege über die Situation in Russland austauschen können. Im Sinne der Science Diplomacy wird so, im engen Rahmen des Möglichen, die Kommunikation mit russischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aufrechterhalten.
Insgesamt zeigten die Häuser in vielfältigen Veranstaltungen mit Forschenden aus den unterschiedlichen Standorten gemeinsame Lösungswege zur Überwindung globaler Krisen auf. Resilienz dabei lediglich als Anpassung an Stresssituationen zu verstehen, greift zu kurz. In seiner ursprünglichen, aus der Psychologie stammenden Bedeutung beschreibt der Begriff darüber hinaus die Fähigkeit, Krisen zu überwinden und dabei gestärkt aus ihnen hervorzugehen. „Die Kunst besteht darin, auf Herausforderungen nicht nur adäquat zu reagieren, sondern schwierige Umstände sogar zu seinem Vorteil zu nutzen – etwa, indem man sie als Impuls für die Entwicklung innovativer Lösungen für zukünftige Probleme begreift“, erklärt Tabea Kaiser. „Das gelingt den DWIH besonders gut, weil sie durch ihre globale Präsenz auf viele unterschiedliche, sich ergänzende Perspektiven und Kompetenzen zurückgreifen können.“
Vielfältige Perspektiven
Wie überraschend diese unterschiedlichen Blickwinkel bisweilen sein können, bewies das DWIH Tokyo mit einer Veranstaltung zum Thema Weltraummüll, mit der es die Debatte um die Steigerung von Resilienz durch nachhaltiges Agieren kurzerhand in den erdnahen Orbit ausweitete. Dort kreisen heute Tausende von Satelliten, die für das Funktionieren moderner Gesellschaften unverzichtbar sind. Es wäre eine Katastrophe, würden große Teile von ihnen ausfallen. Sprach- und Datenkommunikation, See- und Luftnavigation, Wettervorhersagen, Katastrophenwarnungen und vieles mehr wären inzwischen ohne sie kaum mehr denkbar. Doch genau das könnte passieren, wenn die empfindlichen Systeme auf all die kleinen Objekte treffen, die den erdnahen Weltraum verunreinigen und dort in immer größerer Zahl herumschwirren. Aufgrund der hohen Geschwindigkeiten entfalten auch kleine Teile eine hohe Zerstörungskraft.
Um gänzlich andere Aspekte des Schwerpunktthemas Resilienz ging es im Programm des DWIH New York, das systemische Krisen wie den Klimawandel in den Blick nahm und deren Einfluss auf politische Systeme thematisierte. Die Standorte New Delhi und São Paulo beschäftigten sich mit der Stärkung wissenschaftsbasierter Start-up-Kulturen und wie diese sich positiv auf die gesamtgesellschaftliche Resilienz auswirken, während das DWIH San Francisco die Balance zwischen Innovation und gesellschaftlicher Verantwortung als Grundvoraussetzung für eine solche identifizierte.
Macht uns Künstliche Intelligenz resilienter?
Auch das Thema Künstliche Intelligenz, dem sich das DWIH-Netzwerk im aktuellen Schwerpunktthema 2024 widmet, spielte im Jahr 2023 bereits eine wichtige Rolle. „Bezogen auf unsere Widerstandsfähigkeit gegenüber globalen Krisen ist es ja eine durchaus spannende, noch unbeantwortete Frage, ob KI unsere Resilienz eher steigert oder mindert“, so Ursula Paintner. So wie Künstliche Intelligenz in der medizinischen Forschung Großartiges leisten kann, birgt sie in politischen Desinformationskampagnen oder kriegerischen Auseinandersetzungen ein erschreckendes Zerstörungspotenzial. „Vielleicht müssen wir im Zuge dieser Entwicklungen Resilienz auch noch einmal neu denken“, gibt Paintner zu bedenken.
Klaus Lüber
DWIH-Schwerpunktthema 2023 Die resiliente Gesellschaft
DWIH-Schwerpunktthema 2023 Die resiliente Gesellschaft
Was macht eine Gesellschaft resilient? Es gibt viele Antworten auf diese Frage – eindeutig kann keine sein. Zu vielschichtig ist der Resilienz-Begriff, der wesentlich in der Psychologie geprägt wurde, aber längst in zahlreichen Wissenschaftsfeldern bedeutsam ist – sei es in der Physik, der Soziologie oder der Medizin. Wissenschaft beschäftigt sich nicht nur mit Resilienz, sie kann sie auch gezielt fördern und durch Innovationen begünstigen. Ein Blick auf Deutschlands Forschungslandschaft und ihre globalen Verbindungen zeigt, dass die Suche nach Resilienz eine wichtige Rolle in internationalen Partnerschaften spielt.
In Deutschland setzt die Politik auf die Wissenschaft, um resiliente Strukturen aufzubauen. Im März 2024 berief Bundeskanzler Olaf Scholz die Mitglieder des neuen ExpertInnenrats „Gesundheit und Resilienz“. Das Nachfolgegremium des Corona-ExpertInnenrats, der im April 2023 zum letzten Mal tagte, geht auf wissenschaftlicher Basis der Frage nach, wie Gesundheitswesen und Gesellschaft künftigen Krisen bestmöglich begegnen können, „auch im Hinblick auf die Folgen des Klimawandels und der demographischen Entwicklung“, wie Scholz betonte. Das zeigt exemplarisch, wie weitreichend interdisziplinäre Zusammenarbeit für Resilienz sein kann. Die berufenen Fachleute kommen aus unterschiedlichen Bereichen wie zum Beispiel Public Health, Ethik, Modellierung oder den Sozialwissenschaften. Beim Streben nach Schutz und Stabilität ist die Notwendigkeit der Vernetzung offensichtlich.
Internationale Partnerschaften als Schlüssel
Unter dem Eindruck der Corona-Pandemie, der Flutkatastrophe von 2021 in Mitteleuropa und den Folgen des Klimawandels formulierte die „Deutsche Strategie zur Stärkung der Resilienz gegenüber Katastrophen“ schon 2022: „Gerade in hoch technisierten und in den globalen Handel verflochtenen Gesellschaften sind die Folgen für alle Lebensbereiche und unser Gemeinwesen deutlich komplexer geworden: Verluste von Menschenleben und Existenzgrundlagen, erhebliche wirtschaftliche, soziale und ökologische Schäden sowie die Gefährdung Kritischer Infrastruktur.“ Globale Verflechtung angesichts von Krisen und Katastrophen fordert internationale Zusammenarbeit als Antwort. Allein für sich, abgeschirmt durch nationale Grenzen kann eine Gesellschaft kaum resilient sein. Es braucht den Austausch mit Partnern weltweit, um auch wirklich die besten Ideen und Lösungsansätze vereinen zu können.
So veranschaulicht etwa das Feld der erneuerbaren Energien, wie internationale Partnerschaften zu nachhaltiger Versorgungssicherheit beitragen. Regenerative Quellen können ein Energiesystem resilient machen, schließlich ist ihr Reservoir potenziell unerschöpflich. Brasilien verfügt beispielsweise über außergewöhnliche Ressourcen bei Windkraft, Solarenergie und Biomasse. Doch zugleich muss auch in dem südamerikanischen Land das Angebot an erneuerbaren Energiequellen vielfältig gestaltet werden. Dafür setzt sich die Deutsch-Brasilianische Energiepartnerschaft ein, in deren Rahmen sich Privatwirtschaft, Politik und Forschung austauschen. Entwicklungen zu Grünem Wasserstoff greifen die Partnerländer ebenso auf wie die Stärkung von Digitalisierung und Netzwerken zur Erhöhung der Energieeffizienz. Innovationen lenken sie gezielt, um die Energieversorgung stabil aufzustellen.
Zusammenarbeit angesichts zahlreicher Stresstests
Entwicklung dynamisch und zugleich nachhaltig zu organisieren – das ist auch eine zentrale Herausforderung im Mobilitätssektor. Indien, das bevölkerungsreichste Land der Welt, kennt die entsprechenden Fragestellungen besonders gut. Das Fachwissen auf indischer Seite ergänzt sich mit der in der deutschen Forschungslandschaft vorhandenen Expertise. Beides kommt in der etablierten Kooperation der Technischen Universität München und der Indian Institutes of Technology Bombay und Kharagpur zusammen, die nicht nur zu Mobilität und Verkehr zusammenarbeiten, sondern auch in den Themenfeldern Klima, Umwelt und Energie. Von der Antizipation neuer Mobilitätslösungen über die Sicherheitsüberprüfung für automatisierte Fahrzeuge bis zur Reduzierung des Energieverbrauchs im Verkehrswesen reicht die Kooperation. Das Beispiel der deutsch-indischen Zusammenarbeit verdeutlicht, wie wichtig vorausschauende Forschung ist, um für die Zukunft gewappnet zu sein.
Außer Zweifel steht, dass diese Zukunft hochgradig digital ist. Insbesondere bahnbrechende Entwicklungen in der Künstlichen Intelligenz bedeuten für die Resilienz moderner Gesellschaften einen Stresstest. Wie kann es gelingen, die Vorteile dieser Entwicklungen zu nutzen und zugleich den Gefahren von Manipulation und Kontrollverlust effektiv zu begegnen? In den USA wird dies, auch angesichts eines spannungsreichen politischen Klimas, sehr intensiv diskutiert. Von der multikulturellen „Welthauptstadt“ New York an der Ostküste bis zum kalifornischen Innovationshotspot Silicon Valley: Zahlreiche der digitalen Trends starten in Amerika. Mögen die USA auch in vielen Feldern Technologieführer sein, im Streben nach digitaler Sicherheit und Cyberresilienz setzen auch sie auf Partnerschaften. So intensivieren die USA und die Europäische Union aktuell ihre gemeinsame Arbeit an einem freien und sicheren Cyberspace, in dem Menschenrechte und Grundfreiheiten geachtet werden.
Individuen und Gesellschaften profitieren von globaler Kooperation
Letztlich müssen auch Individuen geschützt werden, um die Resilienz einer Gesellschaft zu erhalten. Im deutsch-japanischen Austausch zeigt sich besonders vielfältig, worauf es dabei ankommt, etwa im Umgang mit einer alternden Bevölkerung oder dem Bedrohungspotenzial von Pandemien. Beides sind Themen, die auch vom Deutschen Institut für Japanstudien mit seinem Forschungsschwerpunkt „Nachhaltigkeit und Resilienz“ behandelt werden. Wie Gesellschaften modernes städtisches Zusammenleben gestalten, ist ebenfalls Thema des deutsch-japanischen Austauschs. In Japan wie auch weltweit wird deutlich, dass es zwar keine einfachen Antworten auf die Fragen nach der Resilienz geben mag. Aber Lösungen für die Zukunft finden wir am ehesten bei der Suche, die sich von Länder- und Fachgrenzen nicht aufhalten lässt.
Johannes Göbel
• eine Initiative von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft
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DWIH kompakt
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Standpunkt Dr. Katja Lasch, Direktorin des DWIH Neu-Delhi, über den deutsch-indischen Austausch in Wissenschaft und Innovation:
Standpunkt Dr. Katja Lasch, Direktorin des DWIH Neu-Delhi, über den deutsch-indischen Austausch in Wissenschaft und Innovation:
Im Fokus Die Arbeit des DWIH Neu-Delhi im Jahr 2023
Im Fokus Die Arbeit des DWIH Neu-Delhi im Jahr 2023
DWIH Neu-Delhi in Deutschland
Vier Workshops im Rahmen der etablierten Veranstaltungsreihe „Incubators Connect“ des DWIH Neu-Delhi fanden im Juni 2023 in Deutschland statt. Dabei kamen zwölf Vertreter und Vertreterinnen aus indischen Institutionen, die Unternehmensgründungen aus der Wissenschaft unterstützen, mit 40 Akteuren des deutsches Start-up-Ökosystems zusammen.
Die Workshops organisierte das DWIH Neu-Delhi gemeinsam mit der Gründerschmiede des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), dem Entrepreneurship Hub der Technischen Universität Braunschweig und der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften sowie dem Zusammenschluss der Berliner Universitäten Science & Startups. „Wir haben Vertreterinnen und Vertreter zahlreicher Institutionen und politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger aus ganz Deutschland mit den Teilnehmenden aus Indien zusammengebracht und auf diese Weise den indischen Inkubatoren den Zugang zu den relevanten deutschen Netzwerken erleichtert“, erläutert Aadishree Jamkhedkar, Leiterin der Programmarbeit des DWIH Neu-Delhi. In Deutschland nahm das DWIH Neu-Delhi außerdem am EXIST-Workshop für Transferzentren teil und bot einen Workshop zum Thema Rekrutierung und Unterstützung für internationale Start-up-Gründungen an. Zum ersten Mal organisierte das DWIH Neu- Delhi Veranstaltungen in Deutschland. Für die Direktorin des DWIH Neu-Delhi Dr. Katja Lasch wurde damit insgesamt eine neue Qualität erreicht: „Wir konnten die Arbeit des DWIH Neu-Delhi sowie die indischen Aktivitäten im wissenschaftsbasierten Gründungsbereich auch in Deutschland deutlich bekannter machen.“
Expertise für Startup20-Gipfel
„Es hat sich 2023 deutlich ausgezahlt, dass wir über Jahre hinweg besondere Expertise aufgebaut haben“, sagt DWIH-Direktorin Dr. Katja Lasch. Schon Ende 2022 war sie im Vorfeld des G20-Gipfels in Neu-Delhi als Co-Chair der Taskforce „(International) Alliances“ in die G20 Startup Engagement Group berufen worden. Ihre Arbeit im Jahr 2023 und die Beteiligung an strategischen Papieren führten dazu, dass einige Empfehlungen des DWIH Neu-Delhi den Weg in das Abschlusskommuniqué des Startup20-Gipfels fanden. Das DWIH Neu-Delhi konnte im Rahmen der offiziell von der indischen Regierung getragenen Abschlussveranstaltung Perspektiven aus Deutschland sowie die eigenen Erfahrungen beim Aufbau eines deutsch-indischen Korridors für wissenschaftsbasiertes Unternehmertum in mehreren Panels und Debatten einbringen.
Im Gespräch mit Wirtschaftsminister Robert Habeck
Auf deutscher Regierungsebene wird ebenfalls gewürdigt, dass das DWIH Neu-Delhi auch jenseits des Veranstaltungskalenders Start-up-Ökosysteme befruchtet. Auf Anfrage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) unterstützte das DWIH für die Indienreise von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im Juli 2023 auf dem BASF Innovation Campus in Mumbai eine Interviewsession des Ministers mitwissenschaftsbasierten Start-ups aus dem Bereichen KI und Klimaschutz. „Für das Event haben wir die Start-ups über unser Inkubatoren-Netzwerk nominiert“, so Aadishree Jamkhedkar. „Zugleich fügte sich die Veranstaltung auch in unsere Gesamtkonzeption, die auf kommunikative und innovative Formate setzt und Themen wie Entrepreneurship multiperspektivisch angeht.“
Science Circle Lecture zur UN-Ozeandekade
Vor dem Hintergrund der Dekade der Meereswissenschaften für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen und der Weltklimakonferenz in Dubai organisierte das DWIH Neu-Delhi im Dezember 2023 eine Veranstaltung im Rahmen ihres etablierten Formats Science Circle Lecture. Dabei ging es um Einblicke in das Projekt „DITTO – The Digital Twins of the Ocean“ des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und der Universität zu Kiel – ein Instrument, mit dem „Was-wäre-wenn“-Szenarien über einen Daten-Zwilling der aktuellen Situation erstellt werden. Der Vortrag informierte darüber, wie DITTO die Entwicklung digitaler Zwillinge des Ozeans für ökologische Vorhersagen mit Blick auf Themen von Fischerei bis Meerestourismus unterstützt oder zum Aufbau einer nachhaltigen „blauen Wirtschaft“ beiträgt.
Fireside Chat zu Forschungsclustern
Das Office of the Principal Scientific Advisor (PSA) der indischen Regierung treibt die Bildung von Forschungs- und Technologieclustern ebenso voran wie die Zukunftscluster-Initiative des deutschen Bundesministeriums für Forschung und Bildung (BMBF). Vor diesem Hintergrund organisierte das DWIH Neu-Delhi im März 2023 einen Austausch zwischen Verantwortlichen von Clusterprogrammen. Adressierten Themen waren Strukturierung, Finanzierung oder auch die internationale Ausrichtung von Forschungsclustern im Rahmen eines Fireside Chat, der ein Resultat zahlreicher Gespräche vor Ort ist, wie Aadishree Jamkhedkar deutlich macht: „Seit zwei Jahren pflegen wir entsprechende Kontakte, und nach dem erfolgreichen Informationsaustausch besteht nun in Indien reges Interesse an von uns organisierten Veranstaltungen in diesem Feld.“
Bettina Mittelstraß
Schlaglicht Neue Ideen für nachhaltige Mobilität
Schlaglicht Neue Ideen für nachhaltige Mobilität
Wie kommen Menschen und Waren in den Städten der Zukunft von A nach B? Wie werden Verkehrs- und Transportsysteme funktionieren? Wie gestalten wir städtische Mobilität, um Emissionen zu reduzieren, dem Klimawandel präventiv zu begegnen und ein auf Nachhaltigkeit gestütztes Zusammenleben zu ermöglichen? Viele Wie-Fragen, die sich den Gesellschaften weltweit stellen – besonders in Indien, wo Städte rasant zu Megacitys wachsen, ebenso in Deutschland, wo der Wandel vom Verbrennungsmotor zum E-Auto und der Ausbau einer entsprechenden Infrastruktur auf der politischen Agenda stehen. Für beide Länder hat das Thema hohe Relevanz, und gute neue Ideen sind hier wie dort nötig. Ein Anlass für das DWIH Neu-Delhi, unterschiedliche Forschungsansätze zu nachhaltiger städtischer Mobilität zusammenzubringen.
„Das Forschungsthema Sustainable Urban Mobility war für uns ein idealer Aufhänger für nachhaltige interdisziplinäre Arbeit“, erklärt Dr. Katja Lasch, die Direktorin des DWIH Neu-Delhi. Denn es adressierte nicht nur das DWIH-Schwerpunktthema 2023 „Die resiliente Gesellschaft“, es führte auch das vom DWIH Neu-Delhi im Jahr zuvor fokussierte Thema Grüner Wasserstoff fort und schuf Anknüpfungspunkte für das kommende DWIH-Schwerpunktthema zur Künstlichen Intelligenz. „Wir machen regelmäßig gute Erfahrungen damit, thematisch nicht immer komplett neu anzusetzen, sondern Aspekte aus vergangenen Jahren mitzunehmen und mit längerfristiger Perspektive zu begleiten“, so Lasch. So können sich bereits geknüpfte Netzwerke weiter ausfächern und wachsen.
Holistische Perspektive und Design Thinking
Entsprechend konzipierte das DWIH Neu-Delhi für 2023 zwei ineinander verschränkte Veranstaltungen rund um das Thema nachhaltige städtische Mobilität: Das etablierte Flagship Event Indo-German Forum widmete sich im März 2023 als Hybridveranstaltung der „Sustainable Urban Mobility“ – ebenso wie ein fünftägiger Workshop für Promovierende und Postdocs mit dem Titel „Integrated Engineering for Future Urban Mobility”. Beide Formate gingen das Thema aus einer 360-Grad-Perspektive an.
Das Indo-German Forum brachte erfolgreich Forschende, Entscheidungsträgerinnen und -träger und weitere Fachleute aus Indien und Deutschland zusammen, um auf der Grundlage breit gefächerter Einblicke über mögliche Maßnahmen und Anwendungen zu diskutieren. „Die politikwissenschaftliche und die systemische Perspektive waren hierbei wichtig“, unterstreicht Katja Lasch: Wie kann man zum Beispiel KI für integrierte Mobilitäts- und Energiesysteme nutzen – und wie sollte Governance für nachhaltige urbane Mobilität aussehen?
Der parallel stattfindende Workshop für Promovierende und Postdocs folgte erstmalig einem ganz neuen Konzept: Die 24 Teilnehmenden aus dem akademischen Nachwuchs Indiens und Deutschlands stellten nicht nur ihre Forschungsarbeiten zum Thema vor, sondern gingen über zweieinhalb Tage in gemischten Teams mit einer professionellen Trainerin aus Deutschland in einen Design-Thinking-Prozess und arbeiteten interaktiv an Lösungsansätzen für zukunftsgerichtete urbane Mobilität. Die Teams profitierten von den unterschiedlichen Disziplinen der Teilnehmenden – aus der Verkehrs- oder Stadtplanung, den Materialwissenschaften, der Batterieforschung oder der Beschäftigung mit KI-Anwendungen – und wurden von indischen und deutschen Professoren begleitet, die ihre ersten Ideen validierten. Die professionelle Vernetzung der Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler in einem anwendungsorientierten Arbeitsprozess wirkte wie Dünger für neue Ideen. Am vierten Workshop-Tag bestritten Teilnehmende ein Panel des Indo-German Forum. „Es war uns besonders wichtig, damit den wissenschaftlichen Nachwuchs in die entsprechenden Netzwerke einzubinden“, betont Dr. Katja Lasch. Zum Abschluss des Workshops pitchten die vier Gruppen ihre neuen Ideen für gemeinsame Forschungsprojekte.
Das DWIH Neu-Delhi arbeitete für diese Veranstaltung mit den deutschen TU9-Universitäten, dem Indian Institute of Technology (IIT) Delhi und dem aus 43 Forschungsinstituten bestehenden Council of Scientific and Industrial Research (CSIR) zusammen. „Mit diesen Partnerinstitutionen haben wir im Vorfeld bottom-up eine Expertengruppe zusammengestellt, den Call entwickelt und die fachliche Betreuung organisiert“, sagt Dr. Katja Lasch – ein weiteres strategisches Vorgehen, das sich für das DWIH Neu-Delhi bewährt hat.
Die Zusammenarbeit mit Partnerinstitutionen garantierte nicht nur eine hohe Reichweite für den Call, sondern führte auch dazu, dass für den Workshop Teilnehmende aus Deutschland gewonnen wurden, die bislang keine Verbindung zu Indien hatten.
Bettina Mittelstraß
Zusammen mit seinen Kooperationspartnern realisierte das DWIH Neu-Delhi 28 Veranstaltungen.
5 Veranstaltungen zum Thema wissenschaftsbasiertes Entrepreneurship wurden in Deutschland durchgeführt.
DWIH Neu-DelhiDas Deutsche Wissenschafts- und Innovationshaus Neu-Delhi erreicht seine Zielgruppen mit starken, passgenauen Vernetzungsangeboten.
Dr. Katja Lasch (DAAD)
Leitung der Programmarbeit
Aadishree Jamkhedkar
Beiratsvorsitzender
Dr. Vaibhav Agarwal (Deutsche Forschungsgemeinschaft)
Adresse
Deutsches Wissenschafts- und Innovationshaus Neu-Delhi
DLTA Complex, R.K. Khanna Stadium, 1 Africa Avenue
New Delhi – 110029, Indien
Kontakt
info.newdelhi@dwih.org
www.dwih-newdelhi.org
Unterstützer des DWIH Neu-Delhi
www.dwih-newdelhi.org/de/netzwerk/unterstuetzer/
Bildnachweise:
Getty Images/Gaurav Ojha
iStockphoto/0shi
DWIH Neu-Delhi
DWIH New York
Zum AnfangStandpunkt Benedikt Brisch, Direktor des DWIH New York, über die Bedeutung von Resilienz für die US-amerikanische Bevölkerung:
Standpunkt Benedikt Brisch, Direktor des DWIH New York, über die Bedeutung von Resilienz für die US-amerikanische Bevölkerung:
Im Fokus Die Arbeit des DWIH New York im Jahr 2023
Im Fokus Die Arbeit des DWIH New York im Jahr 2023
Individuelle, gesellschaftliche und digitale Resilienz
Mit der ersten Veranstaltung zum Schwerpunktthema „Die resiliente Gesellschaft“ am 8. März 2023 nahm das DWIH New York bereits ein breites Spektrum an Auswirkungen in den Blick, die technologische Innovationen auf die Gesellschaft haben. In den Austausch kamen Expertinnen und Experten aus den Bereichen Informatik und Klimaforschung. „Gerade bei den Computerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern war es interessant zu beobachten, wie ethisch-moralische Fragestellungen schon zu diesem Zeitpunkt eine hohe Relevanz hatten“, erinnert sich Dr. Jan Lüdert, Leiter der Programmarbeit des DWIH New York. „Dabei hatte der Hype um Künstliche Intelligenz seinerzeit noch gar nicht richtig Fahrt aufgenommen.“ Organisiert wurde die Veranstaltung in Kooperation mit dem Hasso-Plattner-Institut Potsdam, das durch den damaligen Geschäftsführer Professor Christoph Meinel vertreten war.
Soziale Implikationen der Dekarbonisierung
Ist das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens noch erreichbar? Eine 2023 veröffentlichte Studie des Exzellenzclusters Climate, Climatic Change, and Society (CLICCS) der Universität Hamburg gibt Anlass zur Sorge. Die notwendige Transformation werde derzeit noch nicht ausreichend von der Gesellschaft getragen, Faktoren wie der Krieg in der Ukraine erschwerten es zusätzlich, auf Kurs zu bleiben, so die Autorinnen und Autoren der Studie. Auf der Veranstaltung „Shaping Climate Futures: The Social Drivers of Deep Decarbonization“ am 16. Mai 2023 kamen Vertreterinnen und Vertreter des CLICCS mit Klimaexpertinnen aus den USA in den Austausch, um Handlungsoptionen zu erarbeiten, wie der Klimawandel dennoch effektiv gestoppt werden kann. Anders als in der Studie beschrieben war die gesellschaftliche Sensibilität für Klimafragen am Ort der Veranstaltung hoch. „Damals hatte New York mit heftigen Regenstürmen zu kämpfen“, berichtet Jan Lüdert. „Es war also sehr präsent im Bewusstsein des Publikums, welche drastischen Klimaveränderungen wir schon jetzt erleben.“ Dabei legen insbesondere die Bürgerinnen und Bürger New Yorks eine beeindruckende Eigeninitiative an den Tag, was man auch an den Diskussionsbeiträgen der Veranstaltung sehen konnte, so Lüdert. „Wir konnten auf diese Weise einen sehr interessanten Bezug zwischen Forschung und Gesellschaft herstellen.“
FUTURE FORUM 2023: Fächerübergreifende Zusammenarbeit
Es ist das Leuchtturmevent des DWIH New York: Einmal im Jahr wird im Rahmen des sogenannten FUTURE FORUM die Bandbreite des aktuellen DWIH-Schwerpunktthemas verhandelt. Am 19. und 20. Oktober 2023 kamen Expertinnen und Experten in Manhattan zusammen, um sich gesellschaftlicher Resilienz in insgesamt fünf Themenkomplexen zu nähern: globale Sicherheit und Krisengovernance, Klimawandel (zusammen mit den Teilaspekten Biodiversität und planetare Gesundheit), Energiequellen und Rohstoffe, Cybersicherheit und schließlich die Frage, wie sich die multiplen Krisen, die wir derzeit erleben, auf das Individuum und seine Rolle in einer Demokratie auswirken. „Unser Ziel war es, die Intersektionalität der Teilbereiche herauszuarbeiten und zu zeigen, dass die Bewältigung unserer aktuell herausfordernden Weltlage in der Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen liegt“, erklärt Jan Lüdert.
Resilienztraining in der digitalen Stadt
Wie digitale Werkzeuge dabei helfen können, den ökologischen Fußabdruck von Städten zu reduzieren, war Thema der Veranstaltung „From Pixels to Progress“ am 28. Oktober 2023 an der Harvard Kennedy School in Cambridge. Als Fachleute waren Dr. Hilke Marit Berger und Rico Herzog eingeladen, zwei Forschende des City Science Lab der HafenCity Universität Hamburg. In Kooperation mit dem MIT Media Lab haben die Hamburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler „Urban Digitope“ entwickelt, ein Lernspiel zur Stadtentwicklung unter den Bedingungen des Klimawandels. Es kombiniert analoge mit digitalen Elementen. „Das hat auch in unserem Workshop sehr gut funktioniert“, so Jan Lüdert, der vor allem die anschließende, gemeinsame Reflexion über die Rolle digitaler Technologien bei der Anpassung an den Klimawandel als bereichernd empfand. „Wir haben uns gefragt, welche Perspektiven und Partnerschaften es braucht, um zwischen naivem Tech-Optimismus und kritischer Reflexion für zukünftige resiliente Städte zu navigieren.“
Kipppunkte vermeiden
Die Studie „Interconnected Disaster Risks“ ist eine der wichtigsten wissenschaftlichen Publikationen, die die Universität der Vereinten Nationen in Bonn, mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, jährlich veröffentlicht. Der letztjährige Leitbericht befasste sich mit den gemeinsamen Ursachen und Auswirkungen zukünftiger sogenannter Risikokipppunkte. Gemeint sind kritische Schwellenwerte, bei deren Überschreitung starke und zum Teil irreversible Veränderungen eintreten. Um dies zu vermeiden, analysieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Ursachen für bestimmte Extremwettersituationen und leiten daraus Handlungsoptionen für ähnliche Konstellationen in der Zukunft ab. „Für uns war das eine wichtige Veranstaltung, um mit multilateralen Akteuren in den Austausch zu kommen“, sagt Jan Lüdert. An der Veranstaltung nahmen auch Melissa Fleming, Leiterin der Abteilung für Globale Kommunikation der Vereinten Nationen, und Professor René Haak, Leiter des Wissenschaftsreferats der Deutschen Botschaft Washington, teil.
Klaus Lüber
Schlaglicht Systemische Risiken in den Blick nehmen
Schlaglicht Systemische Risiken in den Blick nehmen
Wir müssen uns wappnen für die Zukunft, multiple Krisen stellen uns schon heute vor große Herausforderungen. Und wer weiß, mit welchen Kriegen, Pandemien und Klimakatastrophen wir in Zukunft noch rechnen müssen. „Es ist wichtig zu verstehen, dass wir es inzwischen mit systemischen Risiken zu tun haben“, sagt Dr. Michael Hagenlocher von der Universität der Vereinten Nationen in Bonn, der dort stellvertretend das Masterprogramm „Global Health Risk Management & Hygiene Policies“ leitet. „Die Auswirkungen der Krisen sind sektorübergreifend und grenzüberschreitend zu spüren, der Klimawandel etwa bedroht nicht nur unsere Infrastruktur durch Extremwetterereignisse. Er kann durch Migrationsbewegungen auch politische Strukturen ins Wanken bringen“, so Hagenlocher.
Wer sich also fragt, wie wir uns für die Herausforderungen der Zukunft rüsten, wie wir uns resilient aufstellen können, tut gut daran, einen multiperspektivischen und interdisziplinären Blickwinkel einzunehmen. Genau das war die Idee der Kern des Panels „Democracy & The Individual“, den Dr. Jan Lüdert, Leiter der Programmarbeit des DWIH New York, im Rahmen des jährlichen Konferenzformats FUTURE FORUM am 20. Oktober 2023 in Manhattan herauszuarbeiten versuchte. Dort hatte der Risikoexperte Michael Hagenlocher die Gelegenheit, mit einer Rechtswissenschaftlerin und einem Rechtswissenschaftler in den Austausch zu kommen. Moderiert wurde das Panel von Steven Sokol, Präsident und CEO des American Council on Germany.
Den Diskursraum erweitern
Sowohl Professorin Anna-Bettina Kaiser als auch Professor Mattias Kumm, die beide an der Humboldt-Universität zu Berlin und der New York University lehren und forschen, erweiterten den Diskurs zur Resilienz auf höchst spannende Weise. Trotz aller Krisen und Risiken halte er es für gefährlich, den Blick in die Zukunft vor allem auf den Umgang mit Katastrophenszenarien zu verengen, so Matthias Kumm. „Meiner Meinung nach verschwenden wir in der aktuellen Resilienzdebatte zu viel Energie auf die Projektion von Worst-Case-Szenarien und unsere Strategien, damit umzugehen. Dabei sollten wir doch alles daran setzen, dass es gar nicht erst so weit kommt.“
Dieses Katastrophisieren der Zukunft führe zu einem gefährlichen Rückzug der Einzelnen in Kulturtechniken der Risikominderung. Für liberale Demokratien sei dies nicht ungefährlich, da sie doch gerade auf der aktiven Gestaltung der Zukunft durch ihre Bürgerinnen und Bürger beruhten. „Für eine gesunde Demokratie ist es wichtig, dass wir uns von einem allzu defätistischen Blick auf die Zukunft lösen“, so Kumm.
Liberale Demokratien unter Druck
Wie stark das Modell der westlichen, liberalen Demokratien schon jetzt unter Druck steht, darauf wies die Anna-Bettina Kaiser hin. Mehr als die Hälfte der Deutschen sei laut aktuellen Umfragen unzufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie. „Über die Gründe rätseln die Sozialwissenschaften gerade noch, wahrscheinlich haben wir es mit einer Überlagerung verschiedener Ursachenkomplexe zu tun, von sozialer Ungleichheit über Desinformation bis hin zum Erstarken demokratiefeindlicher Parteien.“ Kaiser erinnerte an das Konzept der „Militant Democracy“ des deutschen Staatsrechtlers Karl Löwenstein, das dieser 1937, also während der NS-Herrschaft in Deutschland entwickelt hatte. Demnach sollte sich eine wehrhafte Demokratie gegen zersetzende, autoritäre Strömungen zu wehren wissen. Zum Beispiel durch das Verbot extremistischer Parteien. Solche Elemente fänden sich auch in der amerikanischen Verfassung, ergänzte ihr Kollege Mattias Kumm. So verbietet der 14. Verfassungszusatz, der als Reaktion auf den amerikanischen Bürgerkrieg formuliert wurde, Personen die Teilnahme am politischen Prozess, wenn sie nachweislich an einem Aufstand gegen die liberale Ordnung beteiligt waren. „Es war wichtig, sich in diesem Zusammenhang noch einmal die enge, transatlantische Verflechtung der jeweiligen Rechtssysteme vor Augen geführt zu haben“, so Jan Lüdert.
Wie praxistauglich eine verfassungsgestützte, aktive Bekämpfung demokratiezersetzender Tendenzen tatsächlich sei, müsse allerdings erst noch weiter ausgehandelt werden, gab Kaiser zu Bedenken. Gerade beim Verbot extremistischer Parteien zeige sich ein Paradoxon der „Militant Democracy“: Die Notwendigkeit einer aktiven Einflussnahme steige mit dem Rückhalt der Partei in der Bevölkerung. Doch wie realistisch sei es dann noch, eine solche politische Strömung zu verhindern? Steven Sokol brachte es auf den Punkt: „Wie geht man mit einer extremistischen Partei um, die demokratisch gewählt wurde?“
Grenzüberschreitende Zusammenarbeit
Abschließend nahm Michael Hagenlocher noch einmal systemische und globale Risiken in den Blick und schlug damit den Bogen zurück zum Resilienzbegriff im Kontext grenzüberschreitender Herausforderungen. „Um globale Krisen in den Griff zu bekommen, ist es entscheidend, auf internationaler Ebene eng zusammenzuarbeiten“, fasst Jan Lüdert das Schlussstatement des Risikoforschers zusammen. „Und genau hier setzt auch die Arbeit des DWIH-Netzwerkes an, indem es die Bedingungen für internationale Kooperationen verbessert und Forschende in einen interdisziplinären Austausch bringt.“
Eine solche Verständigung sei gerade im Hinblick auf den Resilienzbegriff entscheidend, so Hagenlocher. Denn einerseits bremsten autokratische Tendenzen genau diese wichtigen Kooperationsmöglichkeiten aus, indem sie sich wie die USA unter Donald Trump oder Brasilien unter Jair Bolsonaro internationale Abkommen ignorierten. Andererseits suchten westliche Industriestaaten lange verlässliche autokratische Partner in Regionen mit einer hohen politischen Instabilität. „Auch das könnte man Resilienz nennen, aber das ist eben gerade nicht die Widerstandskraft, die wir anstreben. Wir sollten also sehr aufpassen, den Begriff nicht überzustrapazieren.“
Klaus Lüber
Zusammen mit seinen Kooperationspartnern realisierte das DWIH New York im Jahr 2023 insgesamt 43 Veranstaltungen.
DWIH New YorkDas Deutsche Wissenschafts- und Innovationshaus New York bringt die Innovationskulturen Deutschlands und der USA in Dialog.
Benedikt Brisch (DAAD)
Leitung der Programmarbeit
Dr. Jan Lüdert
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Prof. Dr. Kurt Becker (New York University)
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Video San Francisco
Zum AnfangStandpunkt Dr. Zahar Barth-Manzoori, Direktorin des DWIH San Francisco, über den Innovationsgeist in San Francisco und den Austausch mit Deutschland:
Standpunkt Dr. Zahar Barth-Manzoori, Direktorin des DWIH San Francisco, über den Innovationsgeist in San Francisco und den Austausch mit Deutschland:
Im Fokus Die Arbeit des DWIH San Francisco im Jahr 2023
Im Fokus Die Arbeit des DWIH San Francisco im Jahr 2023
Round Table zu Life Sciences
Ein Werkzeug, das Leben neu organisiert und Krankheiten heilt: Die von der in Berlin lehrenden Professorin Emmanuelle Charpentier und der an der UC Berkeley lehrenden Professorin Jennifer Doudna entwickelte „Genschere“ (CRISPR/Cas9) ist einer der bislang größten Forschungserfolge in den Life Sciences. Um herausragende Entdeckungen wie diese ging es beim „Roundtable for Entrepreneurship & Research in the Life Sciences“, den das DWIH San Francisco am 7. März 2023 veranstaltete. Einer der Teilnehmenden war der Biomediziner Dr. Enrique Lin Shiao. Er arbeitete im Bereich Genom-Editierung im Labor von Doudna mit und ist heute Risikokapital-Investor in der Biotechnologie. Beim Round Table erzählte er von seinen Erfahrungen an der Schnittstelle zwischen Entrepreneurship und Life Sciences. Zudem gab die Diskussion spannende Einblicke in die Forschungssysteme in Deutschland und in den USA. Organisiert wurde die Veranstaltung anlässlich des Besuchs von Mario Brandenburg, Staatssekretär des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).
Partnerschaft für Cybersicherheit
Die Zahl der Cyberangriffe steigt seit einigen Jahren rasant. Neue Schlüsseltechnologien und richtungsweisende Innovationen können die innere und äußere Sicherheit eines Landes erhöhen. Welche Lösungen es dafür bereits in San Francisco und der Bay Area gibt und welche Ideen großes Potenzial haben, ist Inhalt einer 2023 gestarteten Kooperation zwischen dem DWIH San Francisco, dem Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und der Agentur für Innovation in der Cybersicherheit GmbH (Cyberagentur). Der Start der gemeinsamen Projektarbeit wurde am 8. September 2023 bei einer Veranstaltung in der Residenz des deutschen Generalkonsuls in San Francisco gefeiert. Die Ergebnisse der Kooperation sollen der deutschen Bundesregierung als Grundlage für Entscheidungen zur Förderung von Forschung in Deutschland dienen. „Gemeinsam ermöglichen wir die Entwicklung und den Marktzugang von auf Cybersicherheit ausgerichteten Produkten und Dienstleistungen – auch über den Atlantik hinweg“, so BSI-Präsidentin Claudia Plattner.
Fokus auf Wissenschaftskommunikation
Die Entstehung von Volkskrankheiten wie Diabetes besser verstehen – dazu hat Professor Randy Schekman von der UC Berkeley einen wichtigen Beitrag geleistet. Für seine Arbeit erhielt er 2013 den Nobelpreis für Medizin und Physiologie. Am 15. September 2023 war Schekman Keynote Speaker des Symposiums „Science Communication – Changes in the Relationship between Science and Society“ an der University of California Berkeley, das unter anderem vom DWIH San Francisco unterstützt wurde. Schekman kritisierte, dass der Öffentlichkeit und sogar wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Zugang zu Studien und Forschungsergebnissen oft verwehrt bleibe, und sprach den hohen Druck zur Veröffentlichung an, der sich mitunter negativ auf die Qualität der Forschung auswirke. In einem abschließenden Panel diskutierten die Teilnehmenden über die Bedeutung der Kooperation zwischen Forschenden und journalistischen Medien. Professor René Haak, Leiter des Wissenschaftsreferats der Deutschen Botschaft in Washington, fasste zusammen, dass eine gezielte Kommunikation einen wichtigen Einfluss auf die Integrität der Wissenschaft nehmen könne.
Neue Wege mit KI in der Medizin
Wie lassen sich Knochenerkrankungen frühzeitig erkennen und beispielsweise Knochenbrüche vorhersagen? Die Beantwortung dieser Frage steht im Zentrum einer Kooperation der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und der University of California, San Francisco (UCSF). „Mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI) werden in dem gemeinsamen Projekt Tausende Aufnahmen aus Deutschland und San Francisco analysiert. Daraus lassen sich etwa Rückschlüsse auf das Risiko für Knochenerkrankungen schließen“, erläutert DWIH-Direktorin Dr. Zahar Barth-Manzoori. Nach dem Start des Projekts im Juni 2023 fand vom 3. bis 5. Oktober 2023 eine vom DWIH San Francisco unterstützte internationale Konferenz zu dem Thema statt. Forschende der Abteilung UCSF Radiology and Biomedical Imaging, der CAU und des Hyperpolarized MRI Technology Resource Center (HMTRC) der UCSF nahmen daran teil.
Innovationen zur Stärkung der Resilienz
Klimawandel, Kriege, Pandemien – die Gesellschaften der Moderne stehen vor tiefgreifenden Herausforderungen. Ebenso sorgen technologische Innovationen, etwa im Bereich der Künstlichen Intelligenz, für einen fundamentalen Wandel. Die Fähigkeit, gegenüber Krisen und tiefgreifenden Neuerungen widerstandsfähig zu sein, bezeichnet man als gesellschaftliche Resilienz. Mit der Frage, wie Bildung und Forschung die Resilienz einer Gesellschaft stärken können, setzte sich am 8. November 2023 das gemeinsame Webinar „How Innovation Supports Resilience in Higher Education“ der DWIH in San Francisco und New York auseinander. Erörtert wurde, welche Verantwortung Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Zeiten des rasanten technischen Fortschritts haben. In der Bay Area gebe es, so Dr. Julia Schaletzky, geschäftsführende Direktorin des Harry Wheeler Center for Emerging & Neglected Diseases (CEND) an der University of California Berkeley, einen regen Austausch zwischen Grundlagenforschung und Industrie. Eine resiliente Gesellschaft müsse die Balance finden zwischen Innovation und sozialer Verantwortung. Dr. Joann Halpern, Direktorin des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) in New York, sprach sich für Design Thinking als Methode zur Resilienzstärkung aus, weil sie Menschen in den Mittelpunkt rücke und sich an ihren aktuellen Bedürfnissen orientiere. Die Lösungen passten sich an dynamische Veränderungen an und stärkten dadurch die Resilienz.
Clara Krug
Schlaglicht Wie man den Wandel meistert
Schlaglicht Wie man den Wandel meistert
Es waren beunruhigende Nachrichten, die gleich zu Beginn des Jahres 2023 in der San Francisco Bay Area für Aufsehen sorgten: Zahlreiche Technologieunternehmen im für seine Innovationskraft weltweit bekannten Silicon Valley entließen Tausende Mitarbeitende. Dr. Zahar Barth-Manzoori erinnert sich gut an den Schock, unter dem die Region stand. „Die Frustration war groß und in vielen Gesprächen deutlich zu spüren“, so die Direktorin des Deutschen Wissenschafts- und Innovationshauses (DWIH) San Francisco. Doch schnell sorgten die rasanten Entwicklungen im Feld der Künstlichen Intelligenz (KI) für Aufbruchstimmung und Hoffnung. „Diese Region ist unglaublich widerstandsfähig und schafft es, sich immer wieder neu zu erfinden, auch in Krisenphasen. Auf einen Zusammenbruch an einer Stelle folgt ein Durchbruch in einem anderen Gebiet. Für mich zeigt das, wie resilient San Francisco und die Bay Area sind“, erläutert Barth-Manzoori.
Kunst und Kultur für Innovationen
„Die resiliente Gesellschaft“ – so lautete 2023 das gemeinsame Schwerpunktthema aller sechs Deutschen Wissenschafts- und Innovationshäuser. Ein herausragendes Format zum Thema war die Veranstaltung „The Bay Area's Reinvention through Culture and Innovation“ am 10. Oktober 2023 im Exploratorium San Francisco. Bei dem vom DWIH San Francisco finanzierten und vom Tech Diplomacy Network und dem Djerassi Resident Artists Program unterstützten Event nahmen rund 90 Personen teil. „Im Fokus der Veranstaltung standen Antworten auf die Frage, wie Kunst und Kultur Innovationen fördern und wie die einzigartige Denkweise in der San Francisco Bay Area zur Resilienz beiträgt“, so Barth-Manzoori, die als Moderatorin gemeinsam mit Martin Rauchbauer, Executive Director des Djerassi Resident Artists Program, durch die Veranstaltung führte.
„Die San Francisco Bay Area zeichnet sich durch eine große kulturelle Diversität aus. Die Menschen haben eine offene Einstellung und sind sehr neugierig. Das ist ein wichtiger Faktor für gesellschaftliche Resilienz“, so Barth-Manzoori. Offenheit und Neugierde seien auch im wissenschaftlichen Kontext zu spüren: Die Region sei weltweit bekannt für höchst erfolgreiche, teils interdisziplinäre Kollaborationen zwischen Forschung und Industrie. Letztlich sorge die Tatsache, dass man gemeinsam an Herausforderungen arbeite, auch für Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen, so die DWIH-Direktorin. Kollaboration sei auch für Kreativität ein wichtiger Faktor.
Diplomatie und Technologie
Für Christina Steinbrecher-Pfand ist Technologie nicht nur ein Werkzeug, sondern eine globale Sprache, die den Dialog, die Zusammenarbeit und das gegenseitige Verständnis fördern kann. Die Kunsthistorikerin und Entrepreneurin ist CEO des Tech Diplomacy Network, das den Austausch zwischen Diplomatie, Zivilgesellschaft und Technologiebranche in der Bay Area und darüber hinaus fördert. Sie bemerkte, dass Risikokapital-Anleger wie auch Entrepreneurinnen und Entrepreneure in der Bay Area offener dafür seien, sich neue Ideen anzuhören – das sei ein großer Unterschied etwa zu Deutschland.
Auf kulturelle Unterschiede machte auch Alberto Acito, Direktor des Italian Innovation Center (Innovit) in San Francisco, aufmerksam. Er verglich die Innovationskultur Italiens und der Bay Area und stellte fest, dass sich Veränderungen in der italienischen Gesellschaft in erster Linie inkrementell entwickelten und weniger radikal als in San Francisco. Um langfristig erfolgreich zu sein, sei es wichtig, sich immer wieder seiner Wurzeln zu vergewissern – und diese Kombination aus disruptiven Innovationen und kultureller Beständigkeit sorge für Resilienz.
Wie interkultureller Austausch gesellschaftlich relevante Innovationen fördern kann, erläuterte Rednerin Noémie Njangiru, Leiterin des Goethe-Instituts San Francisco. Sie hat das Projekt C/Change des Goethe-Instituts initiiert. Es soll Antworten auf die Frage finden, wie ein interkultureller Austausch in Zeiten gravierender geopolitischer Spannungen gelingen kann – etwa mithilfe von technologischen Innovationen wie KI, Big-Data-Anwendungen oder Blockchain-Lösungen, so Njangiru. Für sie besteht kein Zweifel, dass die offene, kreative Einstellung der Menschen in der Bay Area und ihre Diversität genau die richtigen Rahmenbedingungen bieten.
Ort der Neuerfindung
Mit Interkulturalität befasst sich auch Kirstin Chen. Die in Singapur geborene Autorin ist Teilnehmerin des Djerassi Resident Artists Program und Absolventin der Stanford University. Chen, die in ihrem zuletzt erschienenen Roman „Counterfeit“ mit asiatisch-amerikanischen Stereotypen und Vorurteilen spielt, erläuterte auf der Bühne der DWIH-Veranstaltung, dass es sich bei der Bay Area um einen Ort der Neuerfindung, der Einwanderung und der Innovation handele – aus diesem Grund spiele die Region für ihre Arbeit eine wichtige Rolle.
Kulturelle Vielfalt, interkultureller Austausch, technologische Innovationen – für diese Attribute steht die San Francisco Bay Area weltweit wie kaum eine andere Region. Dass diese Merkmale auch die gesellschaftliche Resilienz fördern, zeigte die DWIH-Veranstaltung auf eindrucksvolle Weise.
Clara Krug
DWIH San FranciscoDas Deutsche Wissenschafts- und Innovationshaus San Francisco agiert am Puls zahlreicher Zukunftstrends und stärkt den deutsch-amerikanischen Austausch.
Dr. Zahar Barth-Manzoori
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Standpunkt Dr. Jochen Hellmann, Direktor des DWIH São Paulo, über den deutsch-brasilianischen Austausch in Wissenschaft und Innovation:
Standpunkt Dr. Jochen Hellmann, Direktor des DWIH São Paulo, über den deutsch-brasilianischen Austausch in Wissenschaft und Innovation:
Im Fokus Die Arbeit des DWIH São Paulo im Jahr 2023
Im Fokus Die Arbeit des DWIH São Paulo im Jahr 2023
Round Table: Demokratische Gesprächskultur stärken
Die Präsidentschaftswahl 2022 hat die Polarisierung der brasilianischen Gesellschaft weiter verstärkt. Ein Tiefpunkt war der Sturm von Anhängern des abgewählten rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro auf das brasilianische Parlament im Januar 2023. „Dialog und Diskussionen, die für Wissenschaftsfreiheit und Innovationen essenziell sind, werden durch die aufgeladene Atmosphäre erschwert“, sagt Marcio Weichert, Leiter der Programmarbeit des DWIH São Paulo. Die Frage, wie Wissenschaft und Bildung zur Überwindung von Vorurteilen und Hass in Deutschland und Brasilien beitragen können, stand im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion, die das DWIH São Paulo bei der 75. Jahrestagung der Brasilianischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (SBPC) im Juli 2023 organisierte. Vorträge hielten Professor Monika Oberle, Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), der Sozialhistoriker Professor Michel Gherman von der Bundesuniversität Rio de Janeiro (UFRJ) und Dr. Jochen Hellmann, Direktor des DWIH São Paulo. „Die Veranstaltung hat gezeigt, wie groß die Bedeutung politischer Bildung für die Gesprächskultur und damit für eine resiliente Demokratie ist“, hebt Marcio Weichert hervor. Schon Jugendlichen müsse die Fähigkeit vermittelt werden, Informationen kritisch zu hinterfragen und sachlich auch mit Menschen zu diskutieren, die entgegengesetzte Meinungen verträten. Der Round Table stieß beim Tagungspublikum auf sehr großes Interesse: „Wir haben bei dieser Gelegenheit viele neue Kontakte knüpfen können“, so Weichert.
Workshop für Unterstützer
Ein weiterer Höhepunkt war eine „Brasilien-Woche“, die das DWIH São Paulo Ende März 2023 für seine Unterstützer organisierte. Den Kern bildeten die Beiratssitzung und ein Workshop zur Rolle und den Perspektiven des DWIH, an dem Vertreterinnen und Vertreter von neun der zehn Hauptunterstützer sowie von elf der seinerzeit 17 assoziierten deutschen Hochschulen und Wissenschaftsorganisationen teilnahmen. „Wir hatten die Unterstützer zuvor zu ihren Zielen und ihrer Zufriedenheit mit unserer Programmarbeit befragt, die Ergebnisse fielen sehr positiv aus“, berichtet Marcio Weichert. Die wichtigsten Ziele der Unterstützer seien der Auf- beziehungsweise Ausbau von Kooperationen mit Partnern in Brasilien und Lateinamerika sowie die Erhöhung der eigenen Sichtbarkeit in der Region. Außerdem wünschten sie sich noch mehr Zusammenarbeit mit anderen in Brasilien aktiven deutschen Institutionen, um Synergien zu nutzen. Der Workshop habe dazu einen wichtigen Beitrag geleistet, so Weichert: „Die gemeinsam verbrachten Tage und die interessanten Diskussionen haben unserer Zusammenarbeit neuen Elan gegeben und unser gemeinsames Netzwerk sehr gestärkt.“ Zwei Informationsveranstaltungen zu Studium und Forschung in Deutschland, mit reger Teilnahme seitens der Unterstützer und des Publikums, und ein wissenschaftliches Symposium rundeten die Woche ab.
„Klimapolis“-Symposium
Im April 2023 fand in Natal ein Symposium des BMBF-geförderten interdisziplinären Forschungsprojekts „Klimapolis“ (Network on Urban Climate, Water and Air Pollution: Modelling, Planning, Monitoring, Social learning) statt, das vom Max-Planck-Institut für Meteorologie und der Universität zu Köln gemeinsam mit brasilianischen Partnern veranstaltet und vom DWIH São Paulo mitfinanziert wurde. Dabei diskutierten Forschende aus Klimatologie, Städtebau sowie Sozial- und Umweltwissenschaften aus Brasilien und Deutschland mit Vertreterinnen und Vertretern von Kommunalverwaltungen über konkrete Herausforderungen, die der Klimawandel an die Städte stellt. „Als DWIH arbeiten wir an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft, sodass wissenschaftliche Erkenntnisse die Entscheidungsträger in Politik, Wirtschaft und Verwaltung erreichen“, betont Marcio Weichert.
Start-up-Wettbewerb zur resilienten Gesellschaft
Den vom DWIH São Paulo geförderte „Resilient Society“-Wettbewerb im Rahmen des „Startups Connected“-Programms der Deutsch-Brasilianischen Industrie- und Handelskammer São Paulo gewann im November 2023 das deutsche Start-up Colipi. „Die vorgestellte Lösung hat uns angesichts des Klimawandels überzeugt“, sagt DWIH-Direktor Dr. Jochen Hellmann. Das Spin-off der TU Hamburg hat ein Verfahren zur Herstellung von Biomasse aus einem Gasfermentationsprozess entwickelt, bei dem die Fähigkeit wasserstoffoxidierender Bakterien zur Bindung von Kohlendioxid genutzt wird. In Brasilien gibt es mehr als 400 Industrieanlagen zur Herstellung von Biochemikalien, in der Regel Kraftstoffe, aus Biomasse. Das dabei freigesetzte CO2 könnte mit dem Colipi-Verfahren von den Bakterien aufgenommen werden, was den bioökonomischen Kreislauf schließen würde. Auch bei der Erzeugung von Grünem Wasserstoff könnte das innovative Verfahren eingesetzt werden.
Miriam Hoffmeyer
Schlaglicht Dialog für nachhaltigen Wandel
Schlaglicht Dialog für nachhaltigen Wandel
„Dieser Deutsch-Brasilianische Dialog war ein Meilenstein, weil erstmals auch Unternehmen stark vertreten waren“, sagt Marcio Weichert, Leiter der Programmarbeit des DWIH São Paulo. „Akteure aus Wirtschaft und Wissenschaft zusammenzubringen ist entscheidend, wenn es um die Transformation des Energiesystems geht. Denn die Lösungen, die Forschende entwickeln, sollen von der Industrie umgesetzt werden.“ Die Veranstaltung am 16. und 17. Mai 2023, an der unter anderem Führungskräfte der brasilianischen Tochtergesellschaften von BASF, Bosch, Siemens, Siemens Energy und Volkswagen teilnahmen, wurde vom DWIH São Paulo gemeinsam mit der brasilianischen Förderagentur FAPESP organisiert und gefördert. Den Auftakt bildete ein Vortrag von Professorin Veronika Grimm, Mitglied des Sachverständigenrates, der die Bundesregierung zu Fragen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung berät. Angesichts des Klimawandels betonte Grimm die Notwendigkeit, den CO2-Ausstoß in allen Wirtschaftsbereichen schnell zu verringern. Kooperationen zwischen Deutschland und Brasilien, beispielsweise bei der Erzeugung von Grünem Wasserstoff, könnten dazu beitragen.
Im zweiten Hauptvortrag hob Professorin Joana Portugal Pereira von der Bundesuniversität Rio de Janeiro (UFRJ), Mitglied im „Weltklimarat“ IPCC, die mit der Energiewende verbundenen Herausforderungen, aber auch die Chancen für ein Gelingen hervor: Fast alle großen Volkswirtschaften der Welt hätten sich die Reduzierung ihres CO2-Ausstoßes zum Ziel gesetzt, zudem seien die Kosten für erneuerbare Energien historisch niedrig. An beiden Tagen fanden insgesamt sechs Panels statt, in denen sich die Teilnehmenden über eine Vielzahl von technischen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Fragen rund um die Energiewende austauschten. So wurde etwa diskutiert, wie die Energiekosten für einkommensschwache Familien gesenkt werden könnten oder welche Rolle Wertschöpfungs- und Lieferketten spielen.
Technologische Lösungen finden, Investitionen bündeln
„Die Veranstaltung war für mich hochinteressant, weil so viele verschiedene Aspekte beleuchtet wurden – auch solche, denen ich bei der alltäglichen Arbeit nicht begegne“, sagt Fernando de Oliveira Júnior von Bosch Brasilien. In seiner Präsentation ging der für Forschung und Entwicklung zuständige Manager auf unterschiedliche technologische Wege zu einer CO2-neutralen Mobilität ein. „Ich bin überzeugt, dass es nicht nur eine einzige Lösung gibt. Jede Weltregion sollte diejenigen Erneuerbaren Energien nutzen, die dort verfügbar sind, oder sie aus Regionen und Ländern beziehen, die sie im Überfluss haben“, hebt de Oliveira Júnior hervor. In Brasilien gibt es diesen Überfluss: Schon heute stammen 80 Prozent des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energiequellen, hauptsächlich aus Wasserkraft, aber Solar- und Windenergie wachsen stark. Bio-Ethanol, das in Brasilien seit Jahrzehnten als Treibstoff genutzt wird, und Bio-Methan hätten ebenfalls großes Potenzial, auch für die Erzeugung von Wasserstoff, sagt de Oliveira Júnior. Dieser Energie-Reichtum bringe aber auch Herausforderungen mit sich: „Wenn Investitionen nach dem Gießkannenprinzip verteilt werden, wird das keiner Technologie zum Durchbruch verhelfen. Eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Brasilien im Energiebereich könnte helfen, Investitionen stärker zu bündeln und dadurch Innovationen deutlich zu beschleunigen.“ Mit einigen Forschenden, die er bei dem Dialog kennengelernt hat, stehe er weiterhin in Kontakt: „Es ist sehr hilfreich, mögliche Kooperationspartner an Hochschulen und Forschungseinrichtungen schon zu kennen, vor allem für neue Projekte.“
Effektive Diskussionen, erkannte Probleme
Der Austausch zwischen Forschenden und Führungskräften aus der Wirtschaft habe „wirklich effektive Diskussionen über eine nachhaltigere und integrative Energiewende“ ermöglicht, sagt auch Professorin Vania Zuin Zeidler von der Leuphana Universität Lüneburg. Wie Fernando de Oliveira Júnior findet die Chemikerin es sehr gut, dass die Vorträge des Deutsch-Brasilianischen Dialogs auf YouTube für alle Interessierten auf Englisch und Portugiesisch abrufbar sind. In ihrer Präsentation forderte Zuin Zeidler eine umweltfreundlichere und nachhaltigere Erzeugung Erneuerbarer Energien. „Dabei sind viele Herausforderungen zu bewältigen“, sagt sie. So würden bis 2050 weltweit Windradflügel mit einem Gesamtgewicht von 43 Millionen Tonnen ausgemustert, die aus komplexen, schwer recycelbaren Verbundwerkstoffen bestehen. Ähnlich groß sei das Recyclingproblem bei Solarzellen. Die Aufgabe einer nachhaltigen Chemie sei es, nicht nur einzelne Funktionen von Produkten und Materialien zu verbessern, sondern jede Phase ihres Lebenszyklus im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Effizienz zu optimieren.Im Anschluss an zahlreiche Vorträge und Diskussionen besuchten viele der Speaker gemeinsam das Forschungszentrum für Treibhausgasinnovation (RCGI) an der Universität São Paulo (USP) und besichtigten dort Labore, in denen unter anderem zu Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie oder zur konzentrierten Solarenergie (CSP) geforscht wird. „Alle haben viel voneinander gelernt“, bilanziert Marcio Weichert im Rückblick auf den 10. Deutsch-Brasilianischen Dialog für Wissenschaft, Forschung und Innovation. Den Teilnehmenden aus Brasilien sei stärker bewusst geworden, wie groß der Bedarf an Erneuerbaren Energien in Deutschland und Europa sei. „Und die Teilnehmenden aus Deutschland haben Brasilien als starkes Forschungsland erlebt.“ Das Organisationsteam hofft, dass der Austausch zu einer stärkeren technologischen Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern, neuen Forschungsprojekten und noch mehr Wissenstransfer führen wird.
Miriam Hoffmeyer
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Standpunkt Axel Karpenstein, Direktor des DWIH Tokyo, über den deutsch-japanischen Austausch in Wissenschaft und Innovation:
Standpunkt Axel Karpenstein, Direktor des DWIH Tokyo, über den deutsch-japanischen Austausch in Wissenschaft und Innovation:
Im Fokus Die Arbeit des DWIH Tokyo im Jahr 2023
Im Fokus Die Arbeit des DWIH Tokyo im Jahr 2023
German Research Fair: Erfolgreiche Premiere
14 ausstellende Universitäten und Forschungsförderorganisationen, 350 Teilnehmende – und eine Neuauflage im Jahr 2024: Die erste German Research Fair in Japan im April 2023 war ein großer Erfolg des DWIH Tokyo. „Der Informationsbedarf zu Forschungsmöglichkeiten in Deutschland ist groß“, sagt Dr. Laura Blecken, Leiterin der Programmarbeit des DWIH. Die virtuelle Messe war „eine ganz neue Initiative“ in der Arbeit des DWIH und „ein Herzensprojekt“ für Blecken. Interessierte aus fast allen Präfekturen Japans nahmen an der Messe teil, die im April 2024 unter Federführung des DAAD wiederholt wurde. Den wissenschaftlichen Austausch nach Deutschland zu fördern war auch ein Grundgedanke beim Besuch von DAAD-Generalsekretär Dr. Kai Sicks im April 2023 in Japan, bei dem er sich unter anderem mit Nachwuchsforschenden sowie Professorinnen und Professoren austauschte. Die engen Curricula im japanischen Hochschulsystem lassen zwar wenig Raum für Auslandsaufenthalte, Deutschland ist aber nichtsdestotrotz für japanische Studierende das populärste nicht-englischsprachige Zielland und ein wichtiger Partner im akademischen Austausch.
„Nachhaltiger Weltraum – widerstandsfähige Erde“
Unter dem Motto „Sustainable Space – Resilient Earth“ organisierte das DWIH gemeinsam mit dem Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin (JDZB) und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Juni 2023 ein Forum über die Beseitigung von Weltraummüll „Das war inhaltlich eine sehr spannende Veranstaltung“, erzählt Dr. Laura Blecken. In der Podiumsdiskussion habe sich herauskristallisiert, wie existenziell das Thema ist und das habe bei vielen Teilnehmenden ein neues Krisenbewusstsein geschaffen. Deutschland und Japan sind schon lange Partner in der Weltraumforschung, beide Länder engagieren sich gegen eine Vermüllung der Erdumlaufbahn. „Wir suchten für die Veranstaltung ein Thema mit einer konkreten Problemstellung“, sagt Blecken. Mit Erfolg: Schon während der Veranstaltung hätten Beteiligte über Lösungsansätze nachgedacht und Gespräche über eine noch engere deutsch-japanische Zusammenarbeit angestoßen.
Ausstellung: „Faszination Wissenschaft“
Welche Menschen stehen hinter den größten Entdeckungen unserer Zeit? Eine Fotoausstellung der deutschen Fotografin Herlinde Koelbl zeigt nicht nur Porträts weltbekannter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sondern auch ihre Forschung, zusammengefasst als Statement oder Skizze in der Handfläche. Nach der Japan-Premiere der Ausstellung im Gebäude des DWIH Tokyo 2022 wanderte sie 2023 nach einem Zwischenstopp an der Universität Kyoto ins Miraikan, Japans Nationales Museum für Zukunftsforschung und Innovation in Tokyo und das größte Wissenschaftsmuseum des Landes. Innerhalb von zwei Monaten sahen dort fast 70.000 Menschen die Porträts von 41 Nobelpreisträgerinnen und Nobelpreisträgern sowie einflussreichen Forschenden aus aller Welt. Für die Ausstellungen in Japan hatte Herlinde Koelbl die Sammlung um Porträts der Astrophysikerin Dr. Nami Sakai und zweier Nobelpreisträger, des Stammzellenforschers Professor Shinya Yamanaka, und des Paläogenetikers Professor Svante Pääbo, erweitert. „Die Ausstellung würdigt Innovation und wissenschaftliche Schöpferkraft und betont die Bedeutung internationaler Kooperation in der Forschung – Themen, die in der Arbeit des DWIH Tokyo von zentraler Bedetung sind“, sagt Axel Karpenstein, Direktor des DWIH Tokyo, welches die Ausstellung im Miraikan organisierte. 2024 wandert die Ausstellung weiter ans Okinawa Institute of Science and Technology (OIST).
Wichtige Wasserstoff-Forschung
Wie wichtig das Thema Grüner Wasserstoff sowohl in der Arbeit des DWIH Tokyo als auch in der deutsch-japanischen Zusammenarbeit ist, zeigten mehrere Events. Im März 2023 lud das DWIH Tokyo zu einem „Fireplace Talk“ in die Residenz der Deutschen Botschaft in Tokyo ein. Dr. Felix Christian Matthes, Forschungskoordinator Energie- und Klimapolitik beim deutschen Öko-Institut, hielt den Hauptvortrag, dem ein Kommentar von Professor Takao Kashiwagi vom Tokyo Institute of Technology folgte. „Es gibt in diesem Bereich viele Möglichkeiten zur Zusammenarbeit, und das DWIH Tokyo will dazu beitragen, dass das Thema weiter Fahrt aufnimmt“, sagt die Leitung der Programmarbeit des DWIH Dr. Laura Blecken. Im August 2023 unterstützte das DWIH eine Veranstaltung des DLR über Möglichkeiten zur Wasserstoffspeicherung. An der Yamanashi-Universität wurde im September 2023 ein Labor der TU Braunschweig zur bilateralen Erforschung von Grünem Wasserstoff eröffnet, begleitet von großem medialen Interesse. Seit 2023 ist die TU Braunschweig innerhalb des Energie-Forschungszentrums Niedersachsen (EFZN) auch ein neuer Unterstützer des DWIH Tokyo.
Der Umgang mit Künstlicher Intelligenz
Auf welche Zukunft steuern wir mit Künstlicher Intelligenz (KI) hin? Mit dieser Frage beschäftigten sich zwei Veranstaltungen im März und September 2023. Eine Podiumsdiskussion zum Thema „Human-Machine Interaction and Responsibility“ wurde im März 2023 gemeinsam organisiert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), dem Deutschen Institut für Japanstudien (DIJ) und dem DWIH Tokyo. Sechs Expertinnen und Experten aus Deutschland und Japan gaben darin Einblicke in Schlüsselkonzepte und ethische Fragestellungen zum Umgang mit KI, etwa Dr. Eva Buddeberg von der Goethe-Universität Frankfurt zum Thema Verantwortung und Haftung. „Das war eine sehr intensive Diskussion, die Perspektiven aus unterschiedlichen Disziplinen zusammenbrachte“, erinnert sich Laura Blecken. Im September 2023 wurde in mehreren Workshops erarbeitet, wie Zukunftsnarrative und Diskurse über KI die Technologieentwicklung und -erfahrung in der Gesellschaft prägen. Das Thema wird auch künftig einen hohen Stellenwert in Tokyo haben: Im November 2024 plant das DWIH Tokyo eine große japanisch-deutsch-französische KI-Konferenz zum Thema „Generative AI – Pathways to Democratization, Transparency and Sustainability“, die auch die Themen von 2023 aufgreifen und weiterführen wird.
Sarah Kanning
Schlaglicht Deutsch-japanische Innovationsbrücke
Schlaglicht Deutsch-japanische Innovationsbrücke
Die weißen Roboter-Kellner im Avatar Robot Café DAWN in Tokyo haben große Augen, runde Köpfe und Stupsnäschen. Sie sind „kawaii“, niedlich, wie es in Japan heißt. Doch dass sie in dem Café Bestellungen aufnehmen und Kaffee servieren, ist keine technische Spielerei, sondern hat einen ernsthaften Hintergrund. Die Roboter werden von Personen gesteuert, die aufgrund von schweren chronischen Erkrankungen wie beispielsweise Muskelschwund nicht mehr am normalen Alltagsleben teilnehmen können. Über die Roboter treten sie in Kontakt mit anderen Menschen. Die Isolierung zu bekämpfen, ist das Hauptziel des Konzepts, in dem digitale Technik, Robotik und Inklusion verschmelzen.
Auch DAAD-Vizepräsidentin Dr. Muriel Helbig hat das Café im Dezember 2023 während ihrer Reise nach Japan besucht. Es ging dabei für die Präsidentin der Technischen Hochschule Lübeck und ehemalige Vorständin der Hochschulallianz für den Mittelstand auch darum, sich einen Überblick über die Bandbreite an technologischen Innovationen und Wissenschaft in Japan zu verschaffen und die deutsch-japanische Zusammenarbeit nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch beim Technologietransfer auszubauen. Denn der Technologietransfer gewinnt für beide Länder zunehmend an Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf die Steigerung der Innovationskraft und die Bewältigung globaler Herausforderungen. „Wenn Wissenschaftstransfer hilfreich, nützlich und hoffnungsvoll sein soll, dann muss er international sein“, sagte Helbig in Tokyo.
„Großes Potenzial für den Erfahrungsaustausch“
„Technologietransfer ist sowohl global als auch für Deutschland und Japan von zentraler Bedeutung. Japan engagiert sich bereits seit 25 Jahren intensiv in diesem Bereich, weshalb ein großes Potenzial für den Erfahrungsaustausch mit Deutschland besteht“, sagt Axel Karpenstein, Direktor des DWIH Tokyo. Deutschland und Japan teilen Stärken in technologischen Gebieten wie Medizin und Ingenieurwissenschaften, und auch beim Thema Transfer stehen sie vor ähnlichen Herausforderungen.
„Beim Technologietransfer geht es vor allem darum, Wissen und Technologien zu teilen, damit sie beispielsweise aus der Forschung in die Anwendung kommen“, sagt Karpenstein. „Die Grundlagenforschung hat eine große Bedeutung, aber genauso wichtig sind die Wege, wie dieses Wissen in die Praxis übertragen werden kann. Wir brauchen diesen Transfer, um etwas zur Lösung der wichtigen Fragen der Zeit wie beispielsweise Klimaschutz beizutragen.“
Es geht unter anderem um die Frage, wie und wo Forschungsergebnisse der Hochschulen in der Industrie zur Anwendung kommen können. Mit mehreren Formaten adressiert das DWIH das Thema Technologietransfer, beispielsweise durch die Unterstützung der Internationalisierung der Start-up-Szene. So ist das DWIH Tokyo etwa auf der Femtech Fes! zur Frauengesundheit präsent und hat als Ko-Organisator der TechBIZKON Themen wie Mobilität und Mikroelektronik aufgegriffen.
Sozialer Nutzen technologischer Innovationen
Das zweitägige Symposium „Taking Innovation Abroad“ am 4. und 5. Dezember 2023, welches das DWIH Tokyo in Zusammenarbeit mit der Japan Science and Technology Agency (JST) ausrichtete, ermöglichte eine Diskussion der deutschen und japanischen Erfahrungen zur Förderung von Technologietransfer. Die Veranstaltung beleuchtete zunächst den Status quo und die Transferstrukturen in beiden Ländern. Dr. Muriel Helbig und Osamu Kobayashi, Direktor der Abteilung für internationale Angelegenheiten der Japan Science and Technology Agency, stellten Strategien vor, wie Technologietransfer in Deutschland und Japan gefördert wird, und diskutierten den sozialen Nutzen technologischer Innovationen. Dr. Laura Blecken, Leiterin der Programmarbeit des DWIH Tokyo, moderierte den Austausch, in dem auch Fragen aus dem Publikum der 80 vor Ort anwesenden und 170 virtuell zugeschalteten Teilnehmenden aufgenommen wurden.
Im zweiten, von Axel Karpenstein moderierten Teil des Programms diskutierten fünf Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft in Japan und Deutschland zu Möglichkeiten und Herausforderungen des internationalen Technologietransfers. Zahlreiche Best-Practice-Beispiele und Erfolgsgeschichten gaben einen guten Einblick in die Weiterentwicklung von Transferstrukturen. „Es ist eine große Stärke des DWIH, Personen aus unterschiedlichen Bereichen zusammenzubringen“, hebt Karpenstein hervor.
Einblicke in die Transferlandschaften Deutschlands und Japans
Am zweiten Veranstaltungstag gaben Dr. Lorenz Granrath, Japan Representative des Institute for Experimental Psychophysiology (IXP), und Professor Koichi Sumikura vom Graduate Research Institute for Policy Studies (GRIPS) in Tokyo Einblicke in die Transferlandschaften Deutschlands und Japans. Die anschließenden virtuellen Workshops zu den Themen „Fostering Entrepreneurship“, „Connecting Universities and Industry“, „Optics & Photonics“, „Industry 4.0“ und „Biomedicine“ ermöglichten den Teilnehmenden eine intensivere Auseinandersetzung mit den Inhalten, detaillierte Diskussionen und fachliche Vernetzung.
„Das Symposium stellt den Grundstein für einen langfristigen Austausch unserer beiden Länder zum Thema Technologietransfer dar“, erklärt Axel Karpenstein. Das zeigt auch die Einrichtung einer LinkedIn-Gruppe im Nachgang der Veranstaltung. So können die Teilnehmenden des Symposiums und weitere interessierte Stakeholder auch künftig im Austausch bleiben.
Sarah Kanning
Es gab 6.000 Beiträge der Besucherinnen und Besucher, die auf Papierhänden eigene Beiträge zur Faszination Wissenschaft verfassen konnten.
9.132 Personen nahmen 2023 an Veranstaltungen des DWIH Tokyo teil.
DWIH TokyoDas Deutsche Wissenschafts- und Innovationshaus Tokyo widmet sich im deutsch-japanischen Austausch gesellschaftlichen Herausforderungen.
Axel Karpenstein (DAAD)
Leitung der Programmarbeit
Dr. Laura Blecken
Beiratsvorsitzende
Sabine Schenk (Universität Heidelberg Office Kyoto)
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